Die geheimnisvollen Pergamente
ihr Menschen aus Mekka, nun ist der Gesandte zu euch gekommen, mit der Wahrheit von eurem Herrn; darum glaubt, und es wird besser um euch stehen.
Der junge Araber, dessen Haar schweißnass an der Stirn und im Nacken klebte, schrieb die halbe Nacht. Dann schnitt er mit seinem Dolch das beschriebene Stück aus dem Pergamentblatt heraus und wartete, bis auch die letzten Schriftzeichen getrocknet waren.
Er säuberte die Feder, verschloss das Tintenfässchen und griff zur Tischkante. Dort lag ein faustgroßer Kieselstein. Er wickelte vorsichtig das Pergament darum und knotete eine dünne Lederschnur um das steinerne Bündel. Dann lehnte er sich zurück und sah zu, wie sich der Rest des Pergaments langsam zusammenrollte.
Mara hatte ein einfaches und schmackhaftes Essen bereitet. Henri holte mit spitzen Fingern einige Oliven aus der Schale, schob sie nacheinander zwischen die Zähne und spuckte die Kerne in die hohle Hand.
»Koscher, aber gut«, sagte er lobend. »Deine Mara ist eine Gelehrte der Töpfe und Pfannen, Joshua. Vielleicht ist doch etwas daran, dass ihre Kochkunst dir ein paar Mal das Leben gerettet hat.«
»Oft hat sie den Tag und die Nacht mit leckerem Imbiss gerettet.« Der schmächtige Greis neigte lächelnd den Kopf.
Er hob belehrend seinen dünnen Zeigefinger und antwortete: »Schmähe nicht jene, die Sarah oder Mara heißen. Überdies ist sie die Herrin des Hauses, in dem wir uns als Gäste Umars alle wohlfühlen.«
Uthman nickte, tunkte das ungesäuerte, pergamentdünne Brot ins warme Öl, streute Salz darüber und zerbiss es knackend. »Wahr gesprochen, Freund Joshua.« Er wandte sich an Henri. »Streifst du morgen wieder durch die Stadt?«
»Ja, das habe ich vor. Als Muslim verkleidet und den Dolch stoßbereit«, sagte Henri. »Es schadet nicht, zu wissen, wo man lebt. Und wenn es auch nur darum geht, einen Fluchtweg oder den nächsten Brunnen zu finden.«
»Allah sei mit dir.«
Henri runzelte die Stirn.
»Es wäre tröstlich, wenn wir nicht unseren Gott anrufen müssten, um ruhig durch irgendwelche Straßen spazieren zu können«, sagte er bedächtig. »In welcher Stadt auch immer. Eigentlich sollte Sean schon bei uns sein. Es wäre an der Zeit.«
»Wir leben in seltsamen, gefährlichen Zeiten«, warf Joshua ein, als wolle er einen Vortrag vor Studierenden halten. »Juden, Christen, Muslime – wo solch unterschiedliche Traubensäfte gemischt werden, gärt es schnell. Und da genügt schon ein Funke, unabsichtlich gezündet, und ein gewaltiges Feuer bricht aus.«
Die frühe Nacht war warm und ruhig. Zwischen den wuchtigen Mauern des Hauses fühlten sich alle Bewohner sicher und geborgen. Sorgen, Ängste und Erinnerungen an wilde Abenteuer fielen von ihnen ab wie eine zweite Haut. Mit jedem Tag wurde Henri ruhiger; ihm fehlte nur noch sein ehemaliger Knappe.
Die Stadt Jerusalem ist seit undenklich lange zurückliegenden Zeiten die wichtigste Stadt für die drei großen Religionen. Sie hat eine einzigartige Geschichte, von der jeder Quaderstein der Mauern und Häusern zeugt. Doch die Heilige Stadt war für Henri de Roslin nur ein vorübergehender Aufenthaltsort.
»Du hast du sicherlich recht mit deiner Einschätzung«, sagte Henri zu Joshua. »Aber heute Nacht wird schon nichts passieren.«
»Auch wir Rechtgläubigen erwarten keine ernsthafte Störung«, sagte Uthman. »Aber unser Leben liegt ja auch in Allahs Hand.«
»Wie wahr«, sagte Henri ernst. Joshua stand auf, hob eine Kerze auf und nickte den Gefährten zu. Er stieg mit müden Schritten die Treppe zu seinem Studierzimmer hinauf. Nach einer Weile folgte ihm Uthman gähnend. Mara räumte den Tisch ab, und Henri sah ihr unschlüssig dabei zu. Schließlich tappte er durch das dunkle Haus zu seiner Schlafstatt, streifte die Sandalen von den Füßen und streckte sich aus.
Sein Bart, erst einige Tage alt, war dunkelgrau und weiß meliert, die Haut sonnengebräunt, und mit dem ausgeblichenen grauen Turban wirkte er wie ein hochgewachsener Bürger dieser Stadt. Unter dem Burnus trug Henri ein Kettenhemd, das bis zur Mitte der Oberschenkel reichte und an dessen schmalem Gürtel ein Dolch in der Scheide steckte.
Er hatte in Joshuas Haus, in dem nur Mara schon auf war und emsig umherlief, ein karges Frühstück eingenommen. Uthman und Joshua schliefen noch, als er das Haus verlassen und Mara hinter ihm die Tür geschlossen hatte. Nun war er allein in der Heiligen Stadt unterwegs und ließ sich mit anderen Müßiggängern und
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