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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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zurückliegenden Kämpfe lebendig geblieben. Aber auch er verließ das Haus nur als Muslim verkleidet. Es wäre für ihn lebensgefährlich gewesen, wenn man ihn als einen ehemaligen Tempelritter erkannt hätte.
    Henri wechselte mit Joshua und Uthman lange Blicke.
    »Was sollen wir tun?«, erkundigte sich Joshua leise. Er nahm die Brille ab und reinigte die Gläser mit seinem Hemdärmel. Plötzlich wirkte er unsicher und bedrückt.
    »Auf Sean warten«, antwortete Henri. »Oder hast du einen besseren Vorschlag, Uthman?«
    Uthman blinzelte in die Flamme der Sabbatkerze und murmelte etwas Unverständliches. Dann sagte er leise: »Wir müssen auf ihn warten, sonst sucht er uns viele Tage lang in Al Quds, Yerushalayim, Jerusalem oder wie immer er die Stadt nennt. Wenn er hier herumirrte würde er sich in große Gefahr begeben, das können wir nicht verantworten.«
    »Ich sehe das genauso«, pflichtete ihm Henri bei. »Was könnte dieser schwarz gelockte Araber von uns wollen?«
    »Er will herausfinden, wer ihr seid«, sagte Joshua und bedeutete Mara, nach unten zu gehen und das Essen aufzutragen.
    Sie stand auf, blickte ihn an und sagte: »Ich höre mich morgen in der Nachbarschaft um. Vielleicht kennt jemand diesen Kerl?«
    »Ja, das wäre gut«, sagte Joshua und nickte schwer.
    Henri betrachtete seinen alten Freund nachdenklich. Ihre beiden Schicksale ähnelten einander sehr. Die Juden wurden in vielen Ländern ebenso verfolgt wie die letzten überlebenden Tempelritter. Joshua hatte Anno 1306 in einem Pogrom seine Frau und die Kinder verloren, und sein einziger Trost war die Wissenschaft der Zahlenmystik. Da jedem Buchstaben des hebräischen Alphabets eine Zahl zugeordnet war, suchte Joshua unter anderem nach mathematischen Mustern in den Schriften; diese Leidenschaft teilte er mit dem Rabbi. Der Talmud war seine Bibel und sein Koran; sein Glaube war unerschütterlich. Sein Wissen über die Geheimbünde und die Geheimnisse der Steinmetze, die sich in Bauhütten zusammenfanden, war beeindruckend.
    Henri selbst, in der Ruhelosigkeit eines gefahrvollen Lebens gealtert, wurde noch immer von den Häschern des französischen Königs gesucht. König Philipp IV. den sie den »Schönen« nannten, war anno 1314 gestorben, und auch Ludwig X. der »Zänker«, gefolgt von Philipp V. dem »Langen«, waren längst tot; jetzt regierte Karl IV. Solange er nicht den Schatz der Templer in seinen gierigen Händen hielt, jenen Schatz, dessen Versteck nur Henri kannte, war sein Leben gefährdet. Aber arabisch aussehende Schergen des französischen Königs mitten in Jerusalem?
    »Undenkbar!«, sagte er schroff zu sich selbst.
    »Ich habe nicht verstanden, was du geflucht hast«, sagte Uthman und blickte in den Himmel. Im Umkreis des bleichen, narbigen Nachtgestirns waren die Sterne verschwunden. Ein Sternsplitter zuckte aufflammend über den Köpfen der Freunde durch die südlichen Sternbilder. Henri stand auf und stützte sich mit den Handflächen auf die Tischplatte.
    »Es war kein Fluch, Freund Uthman.« Er räusperte sich. »Ich habe nur versucht, die Gefahren abzuschätzen, denen wir hier ausgesetzt sind. Ich bin einigermaßen beruhigt.«
    »Wenn ein kampferprobter Ritter wie du, mit einem Verstand, der in allen Ländern gerühmt wird, beruhigt ist, können wir alle schlafen wie in Abrahams Schoß.«
    Henri grinste. »Der Honigseim deiner Worte, die wie zwitschernde Nachtigallen flattern, erfreut mich. Mir wäre wohler, wenn mein ehemaliger Knappe, mein Ziehsohn, schon hier wäre. Sei’s drum – Mara und das Essen warten. Gehen wir.«
    Er schlug Uthman auf die Schulter; nebeneinander gingen sie hinunter und setzten sich an den langen Tisch, der mit weißem Leinen gedeckt war. In dieser Nacht befürchteten sie weder eine Zusammenrottung fanatischer Muslime noch Einbrecher, die Joshua und seine Freunde überfallen würden – Gold und Wertgegenstände waren das Letzte, was man in al-Mustansirs Haus vermuten konnte.
    Henri hatte sich auf dem weichen Lager ausgestreckt und ließ die Tage seit seinem Eintreffen bei Joshua Revue passieren.
    Er hatte Joshua und Mara allein angetroffen, Uthman ibn Umar war unterwegs. Joshua berichtete, dass Uthman zu seiner Familie nach Aleppo und Damaskus geritten war. Umar ibn al-Mustansir besaß dort ein Landgut. Zwei Tage später kam Uthman zurück, und noch in derselben Nacht erzählte er von seinem Ritt. Er war müde und niedergeschlagen, und weder ein Bad noch Maras kräftige, scharf gewürzte Brühe

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