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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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seine Kleidung, nur der Turban fehlte.
    Sean stöhnte vor Schmerz, als er den Kopf hob und zu erkennen versuchte, was um ihn herum geschah. Sein Rappe stand bei den anderen Pferden und fraß Heu. Drei, vier Männer lagen im Sand und schliefen. Schon während des Überfalls hatte er erkannt, ohne darüber nachzudenken, dass sie einfache, aber saubere Kleidung und geschnürte Stiefel trugen. Auch ihre Waffen und Pferde bewiesen, dass er es nicht mit heruntergekommenen Wegelagerern zu tun hatte. Er war hungrig und durstig und hatte Mühe, seine Gedanken zu ordnen.
    Wahrscheinlich wollen sie Lösegeld für mich haben, dachte er. Aber von wem? Etwa von Henri de Roslin? Er schüttelte ungläubig den Kopf, und augenblicklich begann sich die Welt um ihn herum zu drehen.
    Als er wieder klar sehen konnte, entdeckte er an der schmalsten Stelle der Felsspalte eine Feuerstelle und drei Männer, die leise miteinander redeten. Einer bereitete einen Holzstoß aus dürren Ästen vor, ein vierter schleppte zwei Krüge heran, aus denen es tropfte. Zwei der Schlafenden trugen blutige Binden um Stirn und Arme.
    Immerhin habe ich ihnen den Kampf nicht leicht gemacht, sagte er sich zufrieden. Aber sieben oder acht gegen einen? Dagegen half auch die größte Erfahrung im Kampf nicht. Er holte tief Luft und musste husten. Sandkörner knirschten zwischen seinen Zähnen. Der Druck seiner Blase wurde unerträglich. Die Männer drehten ihre Köpfe zu ihm herum, und zwei kamen näher. Sie zogen ihre Krummsäbel und blieben vor ihm stehen.
    »Allah ist gnädig«, brachte er hervor. »Entweder bringt ihr mich um, oder ich darf mich erleichtern.«
    Die Antwort war raues Gelächter. Die Araber rissen ihn in die Höhe und lösten die Knoten der Fesseln, drehten ihm den rechten Arm auf den Rücken und banden das Handgelenk an seinen Gürtel.
    »Geh dorthin, hinter die Pferde.« Der hochgewachsene, schwarzhaarige Mann, der einen kurzen Vollbart trug, funkelte Sean aus schwarzen Augen an. Sein schmales, dunkles Gesicht war voller tiefer Falten. Im rechten Ohrläppchen trug er eine Goldperle. Sean glaubte, dass er den Anführer der Räuber vor sich hatte. »Das ist ein Felskessel hier, nur ein Spalt. Du kannst nicht weglaufen.«
    »Ich hab’s auch nicht vor.«
    Bei jedem seiner unbeholfenen Schritte dröhnte sein Kopf wie eine Trommel. Er schob sich an seinem Pferd vorbei und erleichterte sich, dann humpelte er zum Feuer und sah einige Atemzüge lang zu, wie ein junger Wegelagerer in die Glut blies, um das Feuer zu entfachen. Er drehte sich zu dem Anführer um. Die Männer rochen nach kaltem Schweiß, muffigem Stoff und dem Rauch vieler Lagerfeuer.
    »Was habt ihr mit mir vor? Ich bin arm und harmlos.«
    Der Anführer lachte wieder und deutete auf die Verwundeten.
    »Bei Allah! Harmlos, gewiss! Du wirst uns viele Dinare bringen. Jung, kräftig und mit korngelbem Haar.«
    Sean verstand nicht jedes Wort, aber den Sinn der Rede. Immerhin begriff er zu seiner Erleichterung, dass die Räuber ihn nicht töten, sondern verkaufen wollten.
    »Lösegeld?« Sean versuchte im Gesicht des Mannes vor ihm eine Regung zu erkennen, aber er war noch immer nicht in der Lage, klar zu denken. Er schüttelte den Kopf, was neue, stechende Schmerzen hervorrief. »Wer soll zahlen? Für mich, einen Ungläubigen?«
    Das Feuer loderte, ein Kessel hing über den Flammen, die Räuber verfolgten jede Geste von Sean und dem Anführer mit aufmerksamen Blicken. Sean hob den linken Arm und entsann sich, dass die Muslime den Arm, die Hand und die Finger der Linken für alle sogenannten unwürdigen Betätigungen benutzten. Nur die Rechte war richtig und würdig.
    »Wir finden schon jemanden.«
    »Ich bin in deiner Gewalt, Scheich«, antwortete Sean und zuckte mit den Schultern. »Ich werde nicht zu fliehen versuchen. Binde meine Hand los.«
    »Noch nicht. Vielleicht später. Dein Leben liegt in Allahs Hand.«
    »Und vielleicht ist Allahs Gnade so groß, dass ich auch etwas zu trinken bekomme«, radebrechte Sean. »Für einen Verdursteten gibt niemand auch nur einen Dinar.«
    »Du wirst noch abwarten müssen«, gab der Anführer zur Antwort.
    Sean nickte und sagte leise: »Inshallah. So Allah will.«
    Er setzte sich in den Sand und wartete. Ihm blieb nichts anderes übrig. Seine Waffen lagen auf einem Haufen in der Nähe der Schlafenden. Erst allmählich begann er zu verstehen, dass er um Haaresbreite dem Tod entgangen war. Im Augenblick war es viel zu gefährlich, einen Fluchtversuch zu

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