Die geheimnisvollen Pergamente
durch und zwang sich, klar und fordernd zu sprechen.
»Von dir will ich es nicht wissen. Aber du sollst nicht ohne Erkenntnis zu Abu Lahab zurückgehen. Ein Jude, zwei Christen und ab heute zwei Muslime – Uthman ibn Umar und ich, Suleiman ben Lahab – sind Freunde im Haus von al-Mustansir. Jeder achtet den anderen, der ein ehrlicher Freund ist, trotzdem obwohl er einem anderen Glauben anhängt. Sag das meinem Vater, denn wenn ich es ihm sage, wird er tobsüchtig werden.«
Suleiman wechselte das Schwert in die linke Hand und streckte den anderen Arm vor.
»Ich vertraue dir, Abdullah. Wir bleiben Freunde?«
»Ich bin erschöpft, aber erleichtert. Dein Weg scheint vorgezeichnet zu sein, Söhnchen. Ein Stück weit gehen wir gemeinsam.«
Suleiman senkte den Kopf.
»Das ist mehr, als ich erwarten durfte. Heute nacht bin ich nicht bei Mariam, sondern bei meinen Freunden.« Er ließ das Schwert fallen und zeigte auf die Fenster des Harems hinter den Baumkronen. »Und nachts finde ich stets ohne dich, deine Männer und Hasan in meine Zimmer zurück. Denn das ist gewiss – meins Dolch ist scharf. Und er ist nicht aus Holz.«
Abdullah verbeugte sich und legte die Hand aufs Herz.
»Bei Allahs Größe: kein Hasan und keine schleichenden Verfolger mehr. Geh in Frieden, Söhnchen.«
»Nichts anderes habe ich im Sinn.«
»Dein Vater wird mich verfluchen und mit Fußtritten aus dem Haus jagen.«
»Das bezweifle ich.« Suleiman gelang ein kurzes, bitteres Lachen. »Er wird niemanden finden, der so viel für ihn tut wie du. Und das weiß er.«
Abdullah verzichtete auf eine Antwort. Suleiman verbeugte sich vor seinem Lehrmeister und ging mit weichen Knien, todmüde und mit schmerzenden Muskeln, zum Haus. Schweigend folgte ihm Abdullah. Suleiman fragte sich, wie lange sein Sieg anhalten, und was seinem Vater noch einfallen würde. Er fühlte Stolz auf sich selbst, ein gutes Maß Zuversicht und Freude über seine neue Freundschaft, und ein wenig fürchtete er sich auch vor den schwer zu beantwortenden Fragen, die er aufgeworfen hatte.
22
Epilog – Nacht im Haus von Umar ihn al-Mustansir
Noch vor dem Morgengrauen erreichte Sean das Haus. Er klopfte und wartete lange, bis Mara ihn einließ. Sie zuckte erschreckt zurück, als er sich durch den Spalt schob. Dann erinnerte er sich, dass er noch immer die Tarnkleidung trug, die er zusammen mit Suleiman gekauft hatte, und schlug die schwarze Kapuze zurück.
»Ich bin’s, keine Angst, Mara«, sagte er leise und half ihr, die Riegel vorzuschieben. Sie hob die Kerze, leuchtete in sein Gesicht und seufzte.
»Siehst müde aus, mein Kleiner«, sagte sie. »Was hast du denn in der Stadt getrieben? Das kenne ich sonst gar nicht von dir.«
»Ich war das Schwert, das den Armen geholfen hat.« Er kicherte und ließ sich müde auf einen Hocker fallen. »Ich und Suleiman. Wir sind wie Dschinns, wie Gespenster.«
»Welchen Armen habt ihr geholfen? Und auf welche Weise?«
»Weißt du«, er gähnte und rieb sich die Augen, »es gibt viele Bettler und kleine Händler, die mit dem erbettelten oder verdienten Geld nachts nach Hause gehen. Und da gibt es böse Diebe, die diesen Armen einen Sack über den Kopf stülpen, ihnen einen Schlag auf den Kopf versetzen und sie blitzschnell ausplündern.«
»Davon hab ich schon oft auf dem Markt gehört«, sagte Mara und schirmte die Kerzenflamme mit der Hand gegen die Zugluft ab. »Und ihr, ihr helft den Armen?«
»Wenn wir rechtzeitig zur Stelle sind. Deswegen streifen wir nachts durch die dunkelsten Gassen.«
Mara schüttelte verwirrt den Kopf.
»Du und dieser Araber? Ihr vertreibt die Bösewichter?«
Sean griff über die Schulter, zog den Knoten auf und legte das Schwert, das er auf dem Rücken getragen hatte, auf seine Knie. Er nickte und antwortete: »Wir schleichen uns von rechts und links an, schlagen sie nieder und nehmen ihnen die Beute wieder ab. Dann verjagen wir sie und geben dem Überfallenen zurück, was ihm gehört.«
»Man wird euch fangen und bestrafen, Sean!«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Keine Angst, damit das nicht passiert, sind wir so schwarz gekleidet. Suleiman rennt schneller als ich und kennt so viele Verstecke, dass man uns niemals wird fangen können. Heute Nacht haben wir zwei Armen geholfen. Mit diesem Schwert.«
Mara hob die Kerze, nickte Sean zu und sagte: »Du brauchst Schlaf, Sean. Und denke das nächste Mal, wenn du Diebe gejagt hast, daran, eine alte Frau, die Angst vor schwarzen Kapuzen hat,
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