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Global Warning

Titel: Global Warning Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyle Mills Bea Reiter
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Prolog
     
     
    Sie hatte gehofft, dass es schneien würde, aber das war zu viel.
    Die Flocken schienen ein Bettlaken zu bilden, das sich um sie herum bauschte, sich ihr auf Nase und Mund legte und ihr das Gleichgewicht nahm. Für einen Moment ließ der Wind nach, doch sie konnte hören, wie er in einiger Entfernung Kraft sammelte. Dann stürzte er sich wie ein Güterzug auf sie, sodass sie um ein Haar über die Tundra getaumelt wäre.
    Jenna Kalin schob den Brechreiz auf den wirbelnden Schnee, doch sie wusste, dass sie sich etwas vormachte. Sie hatte Jahre in der Wildnis von Alaska verbracht und schon weitaus schlimmere Schneestürme erlebt. Früher hatte sie deren ungeheure Wucht manchmal sogar genossen, weil es für sie eine Mahnung daran war, dass sich manches in der Natur trotz des wachsenden Einflusses des Menschen nicht zähmen ließ.
    Mit Mühe gelang es ihr, den Stiefel aus dem Schnee zu ziehen, der sich darum angesammelt hatte. Dann richtete sie den Strahl ihrer Stirnlampe hinter sich. Wie ein Kaleidoskop beleuchtete er die weißen Schneeflocken, bevor er von der Dunkelheit um sie herum verschluckt wurde. Das
Seil um ihre Taille begann durchzuhängen, und sie sah zu, wie ihr Begleiter näher kam.
    Vor zehn Stunden war er noch so sicher gewesen, dass seine Kondition und sein fanatischer Wille ausreichten, um es mit ihr und dem Winter in Alaska aufzunehmen. Doch jetzt kam sein Atem in kurzen, keuchenden Stößen, und er fing an, fast bei jedem Schritt zu stolpern. Für jeden anderen hätte sie jetzt ein paar aufmunternde Worte gehabt, doch Jonas Metzger war kein Mann, der bei seinen Mitmenschen Mitgefühl oder Sympathie hervorrief. Seit sie zusammenarbeiteten, war leichtes Unbehagen noch das wärmste Gefühl gewesen, das sie ihm entgegengebracht hatte.
    Jenna hatte allein kommen wollen, doch das hatten sie nicht zugelassen. Michael Teague hatte immer wieder Bedenken wegen ihrer Sicherheit geäußert, aber seine Sorge um sie hatte wie immer etwas Künstliches an sich gehabt. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass sie einen Rückzieher machte.
    Jenna kämpfte sich weiter, bevor Jonas sie erreichen konnte. Sie konzentrierte sich auf die endlose Dunkelheit hinter ihrer Stirnlampe und versuchte, ihn zu vergessen. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich schmutzig, weil er bei ihr war. Ein Krimineller. Was sie, wie sie fand, wohl auch war.
    Es dauerte über eine Stunde, die letzten beiden Kilometer zu gehen. Das Seil zog immer öfter an ihrer Taille, da es ihrem Begleiter zunehmend schwerer fiel, mit ihr Schritt zu halten. Erst als sich die Schwärze vor ihr in ein schmutziges Grau verwandelte, wurde ihr klar, dass sie froh war über die Verzögerung. Ihre Übelkeit verstärkte
sich, als sie in einiger Entfernung die Umrisse einer gewaltigen Form sah, einen riesigen Grabstein, der das verunstaltete, was früher einmal unberührte Wildnis gewesen war. Ein Krebsgeschwür in einer Landschaft, die angeblich für immer geschützt war.
    Als sie näher kam, war der Bohrturm in allen Einzelheiten zu erkennen: Das hoch aufragende Gewirr aus Stahlträgern, an denen Scheinwerfer montiert waren, die herumhängenden Kabel, der schmutzige Schnee, der als Windschutz aufgetürmt worden war. Nach kurzer Zeit wurde ihre Übelkeit durch eine unbändige Wut unterdrückt, ausgelöst durch den Anblick des Geländes und die Bohrgeräusche, die der nach Diesel riechende Wind zu ihr trug.
    Sie ließ ihren Rucksack in den Schnee fallen und machte eine kleinere Version davon los, die sie in dem Moment über ihre Schultern streifte, als Jonas sie erreichte.
    »Warte hier«, sagte Jenna, während sie ihre Stirnlampe ausschaltete und den Arm ausstreckte, um seine ebenfalls zu löschen. Es war zwar nicht wahrscheinlich, dass sie jemand vom Bohrturm aus durch den Schneesturm hindurch sehen konnte, oder dass jemand um diese Zeit einen Blick nach draußen werfen würde, doch sie wollte kein Risiko eingehen.
    Sie konnte Jonas’ Gesicht nicht sehen, doch die dicke Kapuze, von der es umgeben war, bewegte sich hin und her.
    »Ich soll mitkommen.«
    Die Worte waren fast nicht zu verstehen, so verstümmelt waren sie durch seinen starken deutschen Akzent, den Wind und das laute Kreischen des Bohrgestänges.

    »Du bist doch mitgekommen«, sagte Jenna, während sie widerwillig einen Schritt auf ihn zuging und sich vorbeugte, um nicht schreien zu müssen. »Aber ich bin für die Aktion verantwortlich, und mit dir zusammen komme ich nicht schnell genug

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