Die geheimnisvollen Pergamente
Bis 1264 ist über sein Leben nichts bekannt, denn erst drei in diesem Jahr erlassene Bullen Papst Urbans IV (PM 1261-12164) geben erstmals Auskunft über ihn.
Demnach hatte Wilhelm den Papst von der schwierigen Lage im Heiligen Land wegen der Überfälle des Sultans Baibars (Slt. 1260-1272) berichtet. Daraufhin beauftragte ihn der Papst, nach Frankreich zu reisen und den König davon zu unterrichten. Bei der Gelegenheit sollte er ihm auch mitteilen, dass er die Einnahmen aus der Kreuzzugsabgabe an Erzbischof Gilles von Tyros (Ebf. 1235-1266) und Johann Valenciennes, den Herrn von Haifa, aushändigen solle, damit insbesondere die Burg von Jaffa mit einer besseren Befestigung geschützt werden könne. Am 17. Juli 1264 intervenierte der Papst mit einem Schreiben erneut auf Betreiben Wilhelms, der noch immer auf die Gelder drang, die für die Befestigungsanlagen dringend gebraucht wurden. Bis dahin war also noch kein Geld gezahlt worden. Diese Episode zeigt, dass Wilhelm sehr stark in die Diplomatie des Heiligen Landes eingebunden war. Ob er allerdings, wie Marco Polo in seinem Reisebericht behauptet, mit einem Brief an den Khan zu den Mongolen reisen sollte, ist unwahrscheinlich. Die einzige weitere historische Information über Wilhelm ist die Nennung seines Namens im Titel der beiden ihm zugeschriebenen Werke. Zwischen Mai und Oktober 1271 verfasste Wilhelm von Tripolis die »Notitia de Machometo« als Informationsschrift für den zu dieser Zeit in Akkon weilenden Theadalo Visconti. Darin heißt es über die Bekehrung der Muslime: »Wenn sie außerdem hören, dass in Christi Lehre der vollkommene und unbefleckte Glaube liegt, das heißt die Erkenntnis des Weges Gottes, die einzige und ausschließliche Vorschrift, die den Gläubigen von Gott gegeben wird, nämlich die Liebe und wahre Freundschaft zu Gott und zum Nächsten, die alleine alle Vorschriften Gottes erfüllt, und dass der Lohn für die Gläubigen ein künftiges glückliches Leben mit den Engeln im Himmel ist, die erhoffte ewige Glückseligkeit, dann lernen sie die erwähnten Wunder sicherlich gerne schätzen. Und auf diese Weise, aufgrund der einfachen Predigt über Gott, ohne gelehrte Diskussionen oder Waffengewalt, streben sie wie einfache Schafe die Taufe Christi an und treten ein in die Herde Gottes« [Notitia 55]. In diesen Sätzen zeigt sich die tiefe innere Überzeugung Wilhelms, durch Missionstätigkeit die Muslime für das Christentum gewinnen zu können. Dabei ging es ihm offensichtlich um ein Zugehen auf die Menschen und nicht um eine gelehrte Auseinandersetzung um Glaubensinhalte. Seine Worte vermitteln den Eindruck seines unerschütterlichen Glaubens an diese Möglichkeit. Von sich selbst behauptete Wilhelm, er sei »einer, der im Namen Gottes schon mehr als tausend getauft hat«.
Eine weitere kleine Schrift verfasste Wilhelm von Tripolis im Jahr 1273, in der er sich mit der Situation der Kreuzfahrerstaaten beschäftigte. Wahrscheinlich war sie als Denkschrift für Papst Gregor X. (PM 1271 bis 1276) gedacht. Nach dem Tod des Papstes wurde aus der schon vorliegenden »Notitia« und dieser zweiten Schrift von einem unbekannten Bearbeiter ein Text erstellt, der unter dem Titel »De Statu Sarracenorum« bekannt wurde. Dies geschah mit Sicherheit nicht im Heiligen Land, sondern in Europa. Auch in diesem zweiten Schriftstück verleiht Wilhelm seiner Überzeugung Ausdruck, dass eine Missionierung der Muslime möglich sei. Sobald man den Muslimen die Übereinstimmungen zwischen der christlichen Lehre und dem Koran bewusst gemacht habe, glaubte er, werde es nur durch einfache Predigten und ohne jede Anwendung von Gewalt möglich sein, sie zur Annahme des Christentums zu bewegen. Wilhelms Zuversicht gründet vor allem auf der von ihm vorausgesetzten dogmatischen Nähe zwischen den Christen und den Anhängern des Islam. Er wollte den Muslimen zeigen, dass sie sich längst auf dem Weg zum Heil befänden. Doch wenn Wilhelm darlegt, wie man seinen Vorstellungen zufolge den Muslimen die Dogmen der Dreifaltigkeit und der Inkarnation nahe bringen könne, verrät die Naivität der betreffenden Ausführungen den tatsächlichen Mangel an echter Missionserfahrung. Es gibt auch keine Hinweise auf eine Missionstätigkeit Wilhelms. Und wenn er behauptet, mehr als 1000 Sarazenen getauft zu haben, muss das nicht viel zu bedeuten haben. Die Bekehrung von muslimischen Sklaven, Kriegsgefangenen, desertierten Soldaten und einfachen Landbewohnern dürfte einfach gewesen
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