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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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gesagt habe?«
    »Ich hab dafür gesorgt, dass sich jemand drum gekümmert hat.« Kehoe sah ihn scharf an. »Warum?«
    »Lasst den Fahrer von der Wäscherei fahren.«
    Kehoe machte den Mund auf, doch Driver schnitt ihm das Wort ab: »Räumt den Transporter vorher komplett aus. Dann gebt ihr ihm seine Schlüssel und setzt ihn hinters Lenkrad. Ruft mich an, wenn ihr ihn so weit habt, damit ich das Haupttor aufmachen kann.«

6
    Er riss den Blick vom Wasser los und fragte sich, warum sie ihm nur morgens so vor Augen stand. Irgendetwas an der morgendlich glatten Wasserfläche ließ ihn immer an Meg denken, als sei der erste silberne Schein des Tages für immer ihrem Lächeln gewidmet.
    Er zog den Schwimmer an der nassen Leine über die Bordkante und ließ ihn vor seine Füße fallen. Ihre kindlichen Blockbuchstaben liefen um das weiße Plastik herum: SALTHEART, Seattle Wa. 206-933-0881. Er arbeitete weiter; sein Atem dampfte in der kühlen Morgenluft vor seinen Lippen, während er die Leine im Kreis um den Korb zu seinen Füßen legte.
    Als er zurückschaute, war sie immer noch da; sie lachte jetzt und trieb auf der glänzenden Wasseroberfläche wie eine Erscheinung aus Quecksilber. Corso schüttelte den Kopf und wandte sich wieder seiner Arbeit zu, die darin bestand, fest an der gelben Leine zu ziehen und das lose Ende aufzunehmen, bis er fühlte, wie sich die Krebsreuse vom Grund löste. Mit seinen langen Armen zog er die Reuse Hand über Hand an die Oberfläche.
    Da sah er sie kommen. Sie arbeiteten sich von Bucht zu Bucht vor, überprüften jedes Flüsschen und jede Mündung, die tief genug für ein Dingi war. Es waren zwei der kleinen, acht Meter langen Safeboats, die drüben in Port Orchard gebaut wurden. Heimatschutzboote. Das neueste Spielzeug der Küstenwache, ein unsinkbares Boot mit Aluminiumrumpf, angetrieben von zwei Yamaha-225-Maschinen. Absolut stabil bei sechzig Knoten. Gerüchten zufolge waren siebenhundert davon geordert worden, hundertfünfundachtzig Riesen das Stück.
    Corso zog die Krebsreuse ins Boot, wobei er sorgsam darauf achtete, sich den Haufen aus glitschigen Krebsen und tropfendem Metall vom Leib zu halten. Die sieben gefangenen Taschenkrebse hatten das Truthahnbein bis auf die bläulichen Knochen abgenagt. Er kontrollierte einen nach dem anderen. Vier Weibchen, drei Männchen. Vorsichtig fasste er sie am Hinterteil, wo ihre Scheren ihn nicht erreichen konnten, und warf die Weibchen über Bord und die Männchen in die weiße Plastikwanne vor der Ruderbank.
    Der Himmel und das Wasser waren einheitlich schiefergrau. Die Oberfläche war glatt wie Glas; hier und da glitten Nebelfetzen wie Geisterschiffe übers Wasser. Im Nordosten, am anderen Ende der Bucht, konnte er kaum die Westcott Bay Oyster Company ausmachen. In der letzten Woche hatte er da ein paar Dutzend Austern pro Tag gekauft. Hatte sie auf den Grill geworfen, bis sie aufknackten, um sie dann mit Cocktailsoße und eisgekühltem Heineken herunterzuspülen. Er warf einen Blick auf das Boot der Küstenwache; genau wie er vermutet hatte, kamen sie auf ihn zu. Mit einem tiefen Seufzer nahm er den Krebskorb hoch.
    Seit einer Woche ankerte er in der Garrison Bay. Abgesehen vom Leeren seiner Krebsreusen und der täglichen Pilgerfahrt zu den Austern hatte er nur geschrieben, geschlafen und gegessen. Krebsomeletts zum Frühstück, Krebs-Quesadillas zu Mittag und Krebspfannkuchen mit Austern zum Abendessen.
    Er setzte sich wieder auf die Bank und drückte den Gashebel leicht nach vorn. Die Schraube zog das Heck kurz nach unten ins Wasser, dann, als Corso etwas mehr Gas gab, begann sie das Schlauchboot anzuheben. Corso drückte den Gashebel ganz nach vorn und richtete den Bug auf die Saltheart, die im Morgendunst kaum sichtbar eine halbe Meile entfernt an der Ostseite der Garrison Bay direkt vor dem English Camp vor Anker lag.
    Während der Sommermonate wimmelte es in der Garrison Bay vor Ausflugsbooten. Doch an diesem regnerischen Novembermorgen, an dem die Kinder wieder in die Schule mussten und die Temperaturen kaum über null Grad kamen, hatte die Saltheart den Ankerplatz ganz für sich allein.
    Als er die Bucht halb überquert hatte, erreichte ihn das Boot der Küstenwache und fuhr neben ihm her. Sein grellorangefarbener Anstrich spiegelte sich backbord noch über zwanzig Meter weit im grauen Wasser. Ein Mitglied der Besatzung kam an Deck. Er hielt sich das rote Megafon vor sein rotes Gesicht und stützte es auf seiner roten Schwimmweste ab.

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