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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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Boeing-Gelände«, erklärte der Mann.
    Corso sah auf die Uhr. »Wann will er den Nächsten töten?«
    »Um Punkt sechs.«
    »Ich muss mich umziehen. Kommen Sie rein.«
    Der Mann folgte Corso in die Kabine. Während Corso die drei Stufen zu den Schränken und den Schlafkojen im Bug hinuntersprang, blieb er stehen und schaute sich um.
    »Schöne Ausstattung«, sagte er.
    »Danke«, antwortete Corso von unten.
    »Leben Sie ganz an Bord?«
    »Ja.«
    »Das wollte ich immer schon, so was wie das hier, wissen Sie … Aber mit Kindern und so … und meine Frau … Ich meine, das geht einfach nicht …«
    »Manche Leute machen das auch mit Familie.«
    Der Mann drehte ihm den Rücken zu und wechselte das Thema.
    »Was haben Sie eigentlich mit diesem Driver angestellt, dass er solche Sehnsucht nach Ihnen hat?«
    »Ich habe ein Buch über ihn geschrieben.«
    Der Mann sah zu, wie Corso Overall und lange Unterhosen gegen Jeans und ein schwarzes Seidenhemd tauschte. »Das Buch muss ihn echt sauer gemacht haben.«
    Corso kam die Stufen hinauf zurück in die Kombüse. Er zog eine schwarze Lederjacke vom Haken und streifte sie über. »Eigentlich fand er es sogar ziemlich gut.«
    »Wie kommt's dann, dass er Sie umbringen will?«
    Corso stieß ein düsteres Lachen aus. »Driver will mich nicht umbringen. Er will nur sichergehen, dass seine Geschichte erzählt wird. So sehe ich das zumindest.«
    »Das soll wohl ein Witz sein.«
    Corso hob die Hand zum großen Pfadfinder-Ehrenwort. »Im Ernst.« Er zog die oberste Schublade heraus, holte seine Brieftasche hervor und steckte sie tief in seine hintere Hosentasche. »Hören Sie, Mann … Ich will Ihnen ja nicht Ihr Westernhelden-Motiv kaputtmachen, aber wenn ich auch nur eine Minute lang glauben würde, dieser Driver könnte vorhaben, mir den Arsch wegzupusten, dann würde ich den Teufel tun, mich da auch nur in die Nähe zu wagen.«
    Der Mann suchte in Corsos Miene nach Anzeichen von Ironie und fand keine.
    »Wenn Sie das Boot nach Hause zurückbringen, lassen Sie die Leinen lang«, sagte Corso. »Wir kriegen hier bald einen ziemlichen Tidenhub.«
    »Ich kümmere mich darum.«
    Corso schaute sich noch einmal um, dann holte er tief Luft.
    »Also los.«

7
    »Ich dachte, in Arizona ist es heiß«, maulte Melanie, während sie, die Arme eng um den Oberkörper geschlungen, im Kreis marschierte und mit den Füßen aufstampfte, um sich warm zu halten. Der Wind kam von überall. Egal, wohin man sich drehte, er blies einem immer ins Gesicht. Melanie schlug den Kragen ihres Mantels hoch und zog den Kopf ein wie eine Schildkröte.
    Auf dem Dach des Satellitenwagens waren zwei Techniker mit dem niemals endenden Feintuning der Schüsseln beschäftigt. »Nicht in dieser Höhe und nicht um diese Jahreszeit. Sobald die Sonne untergeht, gehen die Temperaturen in den Keller«, erklärte einer von ihnen. »In dieser Gegend haben wir landesweit die größten Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht.«
    »Bist du der Wettermann oder so was?«, wollte sein Kollege wissen.
    Melanie ließ ihren Blick über die öde Landschaft schweifen. Ganze Batterien aus Scheinwerfern waren aufgestellt worden, um die Umgebung auszuleuchten, das Gefängnis selbst jedoch lag dunkel und still da. In einiger Entfernung wachten die San Cristobal Mountains vor dem Nachthimmel. Ihre zerklüfteten Gipfel hatten für die Vorgänge kaum mehr als ein schiefes Grinsen übrig. Eine weitere Windböe wirbelte den Wüstenstaub auf. Melanies Lippen fühlten sich spröde an und ihre Augen trocken und wie voller Sand.
    »Ich bin in meinem Trailer«, verkündete sie in die herabsinkende Nacht.
    Ihr ›Trailer‹ war ein fünfzehn Meter langer Satellitenübertragungswagen, der nach ihren Anforderungen umgebaut worden war. Ihr Agent hatte das zum Bestandteil ihrer letzten Vertragsverhandlungen gemacht. Da Melanie den Komfort des Studios immer seltener verließ, hatten sie den Wohnbereich eigentlich nur in ihren Forderungskatalog aufgenommen, um etwas zu haben, worauf sie verzichten konnten, falls die Gespräche schwierig wurden. Doch es hatte sich herausgestellt, dass der Sender auf all ihre Forderungen eingegangen war – einschließlich des Wohnmobils. In den letzten fünf Jahren hatte sie es kaum ein Dutzend Mal benutzt.
    Zumindest heute Abend war sie froh über die Wärme auf ihren Wangen, als sie hineinkletterte und die Tür hinter sich schloss. Sie rieb sich die Hände, als sie zum Kühlschrank hinüberging und die Tür aufzog. Das

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