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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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Die elektronisch verzerrte Stimme zertrümmerte die morgendliche Stille. »Stoppen Sie den Motor und drehen Sie bei.«
    Corso schüttelte den Kopf und zeigte nach vorn auf die Saltheart, die eine Viertelmeile entfernt vor Anker lag. Der Mann von der Küstenwache wiederholte seine Aufforderung. Corso wiederholte seine Geste.
    Der Mann duckte sich und verschwand wieder in der Kabine, um sich weitere Anweisungen zu holen. Bis sie sich überlegt hatten, was als Nächstes zu tun sei, war Corso mit dem Schlauchboot an der Schwimmtreppe längsseits gegangen, hatte es vertäut und den Motor abgestellt.
    Das Boot der Küstenwache war höchstens noch zehn Meter entfernt, als Corso an Bord kletterte, die Krebse und das Schlauchboot sicherte und seine schwarzen Neoprenhandschuhe abstreifte.
    »Sind Sie Frank Corso?«, brüllte jemand.
    Corso ignorierte die Frage. Stattdessen kniete er sich aufs Deck und setzte die Krebse aus dem Korb in eine alte Kühltruhe ohne Deckel, die mit frischem Salzwasser gefüllt war. Er beobachtete, wie die drei neuen Krebse sich eingewöhnten. Wie sie sogar in dem kahlen Plastikbehälter um ein eigenes Territorium kämpften. Vielleicht, dachte er, lag ja ein tieferer Sinn in diesem hirnlosen Kampf um Raum, auch wenn er ihn nicht erkennen konnte. Er richtete sich erst auf, als er fühlte, wie sich die Saltheart zur Seite neigte, weil jemand sein Gewicht auf die Schwimmtreppe verlagerte. Corso stand auf und schaute nach unten.
    Es war nicht der Kleine mit dem Megafon; dieser hier hatte an seinem Barett und auf den Schultern eine kleine goldene Tresse. Er war ungefähr vierzig. Markante schwarze Augenbrauen betonten ein kantiges Gesicht, das aussah, als sei es aus verschiedenen Ersatzteilen zusammengesetzt worden. Corsos Anblick ließ die Augenbrauen in der Mitte der Stirn zusammenschnellen.
    »Sind Sie taub oder was?«, wollte der Mann wissen.
    »Ich kann mich nicht erinnern, Sie an Bord gebeten zu haben«, entgegnete Corso.
    Der Kerl lachte ihm ins Gesicht. »Wir sind die Küstenwache, Mann. Wenn wir Ihnen sagen, Sie sollen beidrehen, dann drehen Sie bei.«
    »Ich hatte Krebse an Bord, die ich verstauen musste.«
    Der Kerl grinste höhnisch. »Nach den Bestimmungen des Patriot Act könnte ich …«
    Corso unterbrach ihn: »Kommen Sie mir bloß nicht mit dem Scheiß. Wenn Sie meine Papiere oder meine Ausrüstung kontrollieren wollen, dann tun Sie's. Das erlaubt Ihnen das Gesetz. Ansonsten geh ich jetzt rauf und putze Krebse.«
    Der Mann war flink. Er schlüpfte mit dem Fuß in eine der Trittwölbungen im Heckspiegel und zog sich mit einer einzigen fließenden Bewegung an Bord.
    Corsos erster Impuls war, ihn an den Armen zu packen und über Bord zu werfen. Doch er holte ein Mal tief Luft und riss sich zusammen. »Okay, also ich bin Frank Corso.«
    »Sie wissen nicht, was los ist, oder?«
    Irgendetwas in seiner Stimme ließ Corso aufhorchen. »Was denn?«
    »In Arizona.«
    »Wovon zum Teufel reden Sie?«
    Der Mann lieferte ihm die Kurzfassung. »Vor ein paar Stunden hat er den Dritten erschossen.«
    »Mein Gott«, murmelte Corso.
    »Ich weiß, es ist ein Unding, von jemandem zu verlangen, sein Leben für Leute aufs Spiel zu setzen, die er nicht mal kennt.« Er hob frustriert die Hände und ließ sie wieder an die Seiten klatschen. »Die Leute da unten hoffen, er hört vielleicht auf, wenn er sieht, dass Sie wirklich gekommen sind. Ich soll Ihnen sagen, dass man nicht von Ihnen erwartet, dass Sie reingehen oder so was. Die wollen einfach nur, dass Sie sich blicken lassen und vielleicht mit ihm reden. Irgend so was.«
    »Und wenn ich finde, dass das nicht mein Problem ist?«
    Der Mann dachte nach. »Schätze, das ist eine Sache zwischen Ihnen und Ihrem Gewissen.«
    »Ich hab meine Sünden in der Fastenzeit gebeichtet.«
    »Laut meinen Befehlen liegt es bei Ihnen.«
    Corso strich sich mit der Hand durch sein dichtes schwarzes Haar. »Mein Boot …«, setzte er an.
    »Ich bringe es persönlich an Ihren Liegeplatz zurück.«
    Corso nickte dankend. »Wie soll ich …«
    Ein fernes Geräusch ließ ihn verstummen. Es war rhythmisch und kam näher. Mehr ein Klopfen als ein Brüllen. Vertraut. Und dann war er über ihnen wie eine gigantische Heuschrecke. Der Hubschrauber bahnte sich seinen Weg durch die Wolken abwärts, setzte auf dem ehemaligen britischen Paradeplatz auf und trieb den Nebel auf dem Boden auseinander wie eine Schar angsterfüllter Kinder.
    »Der Jet des Gouverneurs von Arizona wartet auf dem

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