Die Geisel
konnte. Red as a Rose: Ein Roman über die Leidenschaft, von Frank Corso. »Das ist das Buch, das er über Driver geschrieben hat.« Der Gouverneur stand auf. »Hier steht, Corso haust auf einem Boot irgendwo in der Gegend von Seattle«, erklärte Romero.
»Rufen Sie Seattle an«, sagte Blaine. »Schaffen Sie diesen Corso her.« Er stieß geräuschvoll die Luft aus. »Ich mobilisiere die Nationalgarde.«
2
Mit einer Leichtigkeit, die ihr oft als Arroganz ausgelegt wurde, folgten Melanie Harris' Augen dem Fokuslicht oben an der Kameraschiene, bis ihr Blick auf Nummer vier ruhen blieb, unmittelbar bevor das Licht auf Grün umsprang und die Kamera aufzunehmen begann. »Hier ist Melanie Harris für American Manhunt. Schalten Sie nächste Woche wieder ein, wenn American Manhunt erneut gegen die kriminelle Plage antritt, die unser Land heimsucht.« Sie nahm ein gefaltetes Blatt Papier vom Tisch. Obwohl es viel effizienter gewesen wäre, diesen Text ebenfalls vom Teleprompter abzulesen, benutzte Melanie ihre Schlussbemerkung gern als Requisite. Ihrer Meinung nach verlieh dies diesem Teil der Sendung, der, wenn man nicht sorgsam darauf achtete, leicht zu einer Parodie seiner selbst werden konnte, einen Hauch von Spontanität. Sie berührte das Blatt nur mit den Fingerspitzen, als sei es noch warm vom Faxgerät. Dann hielt sie es schräg, als wolle sie es den Zuschauern zu Hause zeigen. »Bis heute haben American Manhunt und unsere Millionen von Zuschauern zur erfolgreichen Fahndung und der Verhaftung von insgesamt neunhundertneunundsiebzig gefährlichen Kriminellen beigetragen.« Sie lächelte schief. »Neunhundertneunundsiebzig Schwerverbrecher … Mörder, Vergewaltiger, Carjacker und Diebe, die nicht mehr auf der Straße herumlaufen und unschuldige Bürger bedrohen – dank der Bemühungen von Leuten wie Ihnen.« Sie zeigte in die Kamera und legte Pathos in ihre Stimme: »Bis nächste Woche.«
Das Licht an der Kamera ging aus. Sie stand auf. Ein Technikertrio schoss mit der Präzision und Geschwindigkeit eines Formel-Eins-Teams vor, legte Schalter um, schob Regler auf und ab, drehte Knöpfe und stöpselte Melanie von der Elektroniksammlung los, die sie während der Aufzeichnung am Leib trug.
»Alles klar«, sagte jemand.
Sie warf einen raschen Blick zur Kontrollkabine hinüber, in der Tommy Allenby, ihr langjähriger Regisseur, mit einem falschen Grinsen auf dem Gesicht stand und die Finger zum Victory-Zeichen hochhielt. Sie erwiderte sein Lächeln und trat vom Tisch weg. Tommys Bestätigung war kaum mehr als reine Gewohnheit. In den sieben Jahren, die die Sendung jetzt im landesweiten Fernsehen lief, hatte Melanie nach und nach alle Aufgaben übernommen, die normalerweise in den Entscheidungsbereich des Regisseurs fielen, und Tommys Rolle auf wenig mehr als die eines Cheerleaders beschränkte. Eines sehr gut bezahlten Cheerleaders, woran sie ihn Anfang des Jahres hatte erinnern müssen, als er mit Kündigung gedroht hatte. Seitdem war ihre Beziehung kühl und strikt professionell geworden. Ihr war zu Ohren gekommen, dass er seine Dienste bei anderen Sendungen angeboten hatte. Nachdem sie anfangs überlegt hatte, ihn mit diesen Gerüchten zu konfrontieren, hatte sie letztlich beschlossen, ihn seine Fühler ausstrecken zu lassen. Vielleicht war es besser so. Besser für sie beide.
Als sie über das Set ging, plapperte ihr ihre Assistentin ins Ohr: »Wir haben noch eine Aufzeichnung, morgen um Viertel nach neun.«
»Worum geht's da?«
Leslie ratterte die Liste der Beiträge herunter, die für die Sendung der nächsten Woche auf dem Programm standen. Ein Bankräuber-Pärchen im Mittelwesten, das nach neun Banküberfällen immer noch auf freiem Fuß war. Ein vermisster vierfacher Vater, dessen Familie niedergemetzelt im Keller ihres Hauses gefunden worden war, und ein Rückblick auf das Bisherige. Jede der halbstündigen Folgen von American Manhunt bestand aus drei Teilen. Dass ein Rückblick geplant war, bedeutete, dass ihnen das aktuelle Material ausging und sie die Zusammenstellung als Füllmaterial brauchten.
»Das ist ja nicht wirklich üppig«, bemerkte Melanie bissig. »Wir haben doch gerade erst einen Rückblick gebracht. Sagen Sie Martin, wir brauchen bessere Inhalte.« Das wussten sie alle. Nach sieben erfolgreichen Jahren ging der Sendung allmählich die Luft aus. Der Pöbel war launisch. Der Ansturm des Reality-TV nagte an ihren Quoten. Melanie zeigte mit einem langen, gepflegten Finger zu Boden:
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