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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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und klopfte dabei an alle Zellenfenster, an denen er vorüberschlenderte.
    Driver legte ein halbes Dutzend Schalter um und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Kehoe so gehen zu sehen rief ihm wieder alles in Erinnerung. Die erste Woche in Walla Walla. Als ihm klar geworden war, dass da noch jemand außer ihm im Block war. Wie die Pfleger mit ihm plauderten, wenn sie das Essen brachten, aber kaum ein Wort mit demjenigen sprachen, der dort unten am Ende des Ganges untergebracht war. Kratzten einfach die Kurve und eilten sofort zurück, um Driver sein Essen zu bringen, sahen erleichtert aus, überhaupt zurückgekehrt zu sein.
    Fünf Nächte war er dort. Nach der ärztlichen Untersuchung und der ersten Einweisung. Nach den Psychiatern und den Sozialarbeitern. Gerade als sie ihn in eine normale Zelle verlegen wollten. Es war spät, das Licht war schon aus, als die Stimme die ständige Dämmerung des Blocks durchbrach. »Hey«, rief jemand näselnd, als hätte er Polypen. »Bist du noch da?«
    Driver glitt von der Pritsche und tappte zur Zellentür.
    »Was denn?«
    »Die Mexikaner haben deinen Arsch an die Nazi-Skinheads verkauft«, flüsterte die Stimme und wartete dann in der Dunkelheit ab, bis die Worte die gewünschte Wirkung erzielt hatten.
    »Was?«
    »Die Mexikaner stehen nicht auf Arschficken«, wisperte es. »Ist gegen ihre Macho-Ehre. Also verkaufen sie jedes Mal den Fisch für Zigaretten, wenn sie dran sind. Normalerweise an die Nigger, für zwei oder drei Stangen. So in dem Dreh.« Ein dreckiges Lachen rollte über den Fußboden wie eine Welle aus Stahl. »Ich hab gehört, für dich haben sie dreißig Stangen gekriegt. Bist du so viel wert?«
    »Nein«, hatte Driver geantwortet.
    Ein Glucksen. »Kann man wohl sagen.«
    Das Glucksen wurde zu einem lauten, blökenden Lachen. »Scheiiiße! Kann ja sein, dass du auf 'nem U-Boot 'n hohes Tier bist, aber hier bist du nichts als Futter, Baby. Verstanden … nichts als Futter. Dieser Kurtz wiegt fast zweihundert Kilo. Er is' 'n fettes Schwein, aber … Ich sag's dir, Junge, ich hab dich reinkommen seh'n. Du steckst bis zum Hals in der Scheiße.«
    Driver sagte wieder: »Nein.« Dieses Mal laut.
    Das Geräusch von Flüssigkeit, die durch die Rohre strömte, erfüllte plötzlich die Luft. Irgendwo in der Ferne waren Schritte zu hören. Und dann ein Schrei.
    »Ich schick dir gleich morgen früh was«, sagte die Stimme.
    Und dann war das Gespräch zu Ende. Später, irgendwann in der Nacht, machte Driver die Augen zu und schlief.
    Wie versprochen traf vor dem Frühstück eine Überraschung ein. Der Mann, der den Flur wischte, reichte es Driver durch die Gitterstäbe, in ein Papiertaschentuch eingewickelt. Es war eine alte Zahnbürste. Durch das stumpfe Ende des angespitzten Plastikstiels war ein Loch gebohrt worden, in dem ein Dübel aus Holz steckte, so dass er einen T-förmigen Griff bildete. Driver zog den Dübel heraus und legte ihn vorsichtig neben die Zahnbürste in seine Handfläche.
    Die Stimme flüsterte: »Tu das in deinen Schuh, Mr. Captainman, mit der Spitze nach vorne. Mit dem Scheißding im Schuh kannst du den ganzen Tag durch die Metalldetektoren latschen, ohne dass einer was merkt. Wenn du's braucht, pass auf, dass es fest zusammengesteckt ist.«
    Driver hatte versucht, ein paar Dankesworte zu stammeln, doch seine Kehle war zu trocken gewesen.
    »Denk dran, die Mexikaner werden ihm nich' helfen. Die hassen diese Nazis beinah genauso wie ich. Die sind nur da, um sicherzugeh'n, dass Kurtz kriegt, wofür er bezahlt hat. Wenn du ihn fertigmachst, sind die in null Komma nix weg.«
    Die Flurbeleuchtung schaltete sich summend ein. Kehoe sprach schneller. »Stich am besten ins Gesicht«, riet er. »Was anderes hält den Scheißkerl nicht auf.« Die Worte bohrten sich wie ein dicker Finger schmerzhaft in Drivers Brust.
    Und dann glitten die Türen zurück und Cutter Kehoe kam mit demselben lockeren Gang vorbei, den Driver jetzt beobachtete.
    Er war an der Tür zu Drivers Zelle stehen geblieben. »Kommst du mit?«
    Driver schüttelte den Kopf. Kehoe verzog die Lippen. »Du kommst nich' drum rum, Captainman. Kannst genauso gut auch frühstücken. Die Kacke ist eh schon am Dampfen. Nix essen ändert nix.« Er lächelte und ging dann den Gang hinunter.
    Driver stand in seiner Zelle und sah zu, wie Kehoe durch die Sicherheitsschleuse ging und sich zu den anderen Gefangenen gesellte. Er sah zu, wie sich der Strom der Häftlinge unverzüglich teilte, weil jeder der Männer

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