Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
Vom Netzwerk:
die sich in sein Herz, oder ein Eispickel, der sich durch sein Auge bohrte; die Vorstellung der letzten Nanosekunde seines Bewusstseins begann immer mit dem Zerreißen seines Fleisches und endete stets mit einem plötzlichen Schauder und der letzten Abblende ins Schwarze.
    Schwarz wie die Hand auf seiner Schulter. Anscheinend trug jeder in dieser Stadt einen Ring am kleinen Finger. Corso ließ seinen Blick den Arm hinaufwandern, bis er in das feindseligste Paar braune Augen schaute, das ihn je angestarrt hatte. »Haben Sie Mrs. Gravley belästigt?«, fragte die Stimme.
    »Was?«
    »Ob Sie Mrs. Gravley belästigt haben?«
    Die Hand auf seiner Schulter drehte Corso nach links. Da sah er sie. Die alte Frau. Die an dem Geldspielautomaten gesessen hatte. Immer noch eine blaue Kaffeedose in der Hand, halbvoll mit Vierteldollarmünzen. »Das ist er«, sagte sie und zeigte auf Corso. »Der Kerl hat sich mir an den Hals geworfen.«
    »Ich bin gestolpert«, erklärte Corso. »Ich bin gegen sie gefallen.«
    »Er hat mich betatscht«, sagte die alte Frau. »Hat mir an die Titten gegrapscht.«
    »Ich bin gestolpert, das war alles.«
    Als der Griff um seine Schulter sich lockerte, trat Corso unter der Hand weg. Der Mann trug ein schmieriges rotes Sakko mit einer Dienstmarke an der Brusttasche. Casino Security. Er schob sein Gesicht ganz nah an Corsos und schnüffelte ein paarmal, dann lehnte er sich wieder zurück. »Ich kümmere mich darum, Mrs. Gravley«, sagte er. »Sie gehen jetzt schön zu Ihrem Automaten zurück. Ich komme nachher noch mal vorbei und sehe nach Ihnen.«
    »Bestimmt hat inzwischen jemand anders meinen Automaten besetzt.«
    »Wir haben hier genug Automaten, Mrs. Gravley.«
    Geduldig hörte er zu, als sie in eine Tirade darüber ausbrach, dass der Automat kurz davor gewesen wäre, Geld auszuspucken. Und dass sie nun mit irgendeinem verfluchten neuen Automaten wieder ganz von vorne anfangen müsste, was ihr mit Sicherheit ihr ganzes Geld aus der Tasche ziehen würde.
    Die beiden Männer standen in dem Klingeln und Rasseln des Kasinos und sahen ihr nach, als sie davonwatschelte.
    »Früher war sie mal ein Showgirl in einem der großen Kasinos. Vor Jahren. In grauer Vorzeit«, erklärte der Wachmann. »Wenn sie heutzutage ein bisschen zu viel Koffein intus hat, versucht plötzlich jeder Mann, der zufällig vorbeikommt, ihr an die Wäsche zu gehen.« Amüsiert schüttelte er den großen Kopf. »Wahrscheinlich gab's mal 'ne Zeit, wo das gestimmt hat.«
    »Die Zeit rast«, pflichtete ihm Corso bei.
    »Da ist wohl was dran«, sagte der Mann glucksend.
    »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir einen Gefallen tun.«
    »Was denn?«
    »Rufen Sie das FBI an.«
    Verschwunden waren das schulterlange braune Haar, der Fu-Manchu-Schnurrbart und der finstere Harley-Davidson-Blick. Kehoe stand glatt rasiert vor dem Spiegel des Schönheitssalons und tastete mit der Handfläche über die kurzen schwarzen Stacheln, die von seinem Kopf emporstanden. »An dem Scheiß könnte man sich glatt schneiden«, meinte er grinsend.
    »Du bist ein neuer Mann«, sagte Driver. »Nicht mal deine eigene Mutter würde dich erkennen.«
    »Die würde mir in den Arsch treten, wenn sie mich so sehen würde.«
    Die Kosmetikerin glitt hinter dem Tresen hervor und reichte Kehoe sein Wechselgeld und einen leuchtend blauen Tiegel mit Haargel.
    »Sie sehen toll aus, Süßer. Die Mädchen werden sich um Sie reißen.«
    Driver konnte sich einfach nicht darüber klar werden, welchem Geschlecht die Kosmetikerin angehörte. Eine Kreatur mit übergroßen Brüsten und Bartschatten überstieg seine Erfahrung und verwirrte ihn zutiefst. Obgleich er vor diesem Nachmittag noch nie darüber nachgedacht hatte, war ihm doch klar, dass das Geschlecht mit das Erste war, mit dem sich sein Nervensystem auseinandersetzte, wenn er auf einen unbekannten Artgenossen traf, und dass die Unfähigkeit, einen Angehörigen der Gattung Homo sapiens einem bestimmten Geschlecht zuzuordnen, seine grundlegende Verfahrensweise im Umgang mit anderen Leuten aus dem Takt brachte, so dass er völlig durcheinander und nicht in der Lage war, einfach weiterzumachen.
    Drivers Kopf war kahl rasiert und auf Hochglanz poliert. Sein eine Woche alter Bart war so getrimmt, dass er aussah, als wäre es Absicht. Der Effekt war dramatisch. Genau wie Kehoe hatte er kaum noch Ähnlichkeit mit dem Foto im Fernsehen.
    »Wo wollt ihr Jungs denn hin?«, wollte sie/er wissen.
    »Wir fahren herum«, sagte Driver. »Wir

Weitere Kostenlose Bücher