Die Geisel
Füllte Parkscheine aus und tauschte sie gegen die Fahrzeugschlüssel ein. Als er das zweite Auto abgefertigt hatte, kam Blondie im Laufschritt über den Parkplatz.
»Wo zum Teufel ist denn Bobbie?«, wollte der Kioskjüngling wissen.
»Macht Pause«, sagte der andere Junge und reichte ihm die Schlüssel zu dem Mercedes. »Ich glaube, er ist zu Arby's gegangen.«
»Dann beeil dich, Mann. Wir können die hier nicht Schlange stehen lassen.«
»Dreiundvierzig«, sagte der Junge.
Kiosk schrieb es auf den Parkschein, trat in die kleine Bude und zog die zweiflügelige Tür zum Schlüsselschrank auf. Driver stand nur einen knappen Meter hinter ihm, als er die Schlüssel an einen Messinghaken im Schrank hängte. Erste Reihe, Zweiter von rechts.
»Ich denke, ich sollte mich mal auf die Suche nach meinem Freund machen«, verkündete Driver. »Ist wohl besser, ich nehme meine Taschen gleich mit, falls ich ihn treffe.« Er hielt einen Fünfdollar schein in der Hand. Als der Junge aus der Bude kam und sich nach den beiden Nike-Taschen bückte, nahm Driver den Schlüsselbund vom Haken und ließ ihn lautlos in seine Hosentasche gleiten.
»Fühlt sich an, als hätten Sie Blei in den Dingern«, sagte der Junge, als er die Taschen auf den Bürgersteig stellte. »Die würde ich echt nicht weit tragen wollen.«
»Ist gutes Training«, lachte Driver.
Ein paar schnelle Abschiedsgrüße, und Driver war unterwegs über den Parkplatz, schlängelte sich durch die Nase an Nase geparkten Automassen. Die Sonnenstrahlen waren kurz davor, durch die Wolkendecke zu brechen. Als er den Eingang zum Parkhaus erreichte, kam Kehoe gerade die Rampe heruntergejoggt, hielt an und stemmte die Hände in die Hüften. Er war außer Atem.
»Hast du die Schlüssel?«, keuchte er.
Driver klopfte auf seine Hosentasche. »Hier drin.«
»Der silberne Mercedes?«
»Genau der.«
Kehoe grinste. »Der ist oben auf dem Dach.«
»Dann mal los.«
Drei Minuten später erklommen sie die letzte Rampe und traten ins plötzlich grelle Sonnenlicht. Beide Männer kniffen die Augen zusammen. Kehoe bedeutete Driver, dass sie links abbiegen mussten, und kurz danach rechts. Der Mercedes war rückwärts eingeparkt worden. Driver drückte auf den Knopf für die Zentralverriegelung. Kehoe glitt um den Wagen herum und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Er drehte sich um und sah zu, wie Driver die hintere Tür aufzog und die beiden Nike-Taschen im Fußraum hinter den Vordersitzen verstaute. Jede Frage, die ihm vielleicht auf der Zunge lag, wurde gleich darauf durch das Schnarren des Reißverschlusses beantwortet, durch das Schnappen von Metallteilen und die leisen Geräusche, die geübte Hände machen, wenn sie gut geölte Waffen zusammensetzen. Schweigend sah er zu, wie Driver beide Gewehre lud, sie hinten auf den Rücksitz legte und Handtücher darüberdeckte. Dann stellte er die Nike-Taschen auf die Handtücher.
Kehoe nickte zustimmend. »Wohin soll's gehen?«
Driver stieg ein, legte den Sicherheitsgurt an und drehte den Schlüssel herum. Schnurrend sprang der Motor an. »Zum nächsten Schönheitssalon«, sagte er.
Kehoe verschränkte die Arme vor der Brust und zog ein finsteres Gesicht. »Soll'n der Scheiß?«
»Wir brauchen 'ne Generalüberholung.«
Special Agent Rosen ließ den Aktenordner auf den Tisch fallen. »Kehoe hat seit gut sieben Jahren weder Post noch Besuch bekommen.«
Irgendjemand pfiff leise. »Das nenne ich einsam.«
»Wenn man lebenslänglich ohne kriegt, ruft eben keiner mehr an.«
»Wir haben alle ermittelt, die Kontakt mit ihm hatten, ganz egal, wie lange es her ist«, berichtete ein jüngerer FBI-Agent in einem schokoladenbraunen Anzug. Er begann, einen Papierstapel zu durchwühlen, der von einer schwarzen Federklemme zusammengehalten wurde. »Seine Mutter Gladys Alma Kelly hat '85 aufgehört, ihm zu schreiben. '86 ist sie an Herzversagen gestorben. Sie war neunundfünfzig. Seine Halbschwester Dorsey Anne Clements wurde 1990 vor einer Bar erschossen, in Lake Ponchartrain, Louisiana. Der Fall ist noch offen.« Er raschelte wieder in den Papieren herum. »Der einzige Besucher, den er jemals hatte, war ein Typ namens Harvey Gerald Raynes. Hat ihn '92 zweimal besucht, und zweimal '93. Sein Brief 1998 war der letzte, den Kehoe bekommen hat.« Er zog ihn heraus und schob ihn über den Tisch, falls jemand sich dafür interessierte. Der große Mann mit dem Quadratschädel, der die Uniform der Arizona State Police trug, nahm das Schreiben, um
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