Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
Vom Netzwerk:
und zeigte dann auf Melanie.
    »Wir hier bei American Manhunt haben uns die Frage gestellt, wie ein exzellenter Denker wie Mr. Driver, immerhin Harvard-Absolvent, wie ein so scharfsinniger Geist durch die Einkerkerung dermaßen in den Wahnsinn getrieben werden konnte, während es doch so vielen anderen Gefängnisinsassen gelingt, ihre geistige Gesundheit auch über wesentlich längere Zeiträume zu bewahren.« Sie gab dem Publikum Zeit, sich ebenfalls Gedanken zu machen, bevor sie weitersprach: »Die Antwort liegt in der Privatisierung des amerikanischen Strafvollzugssystems und in einem ganz sicher mittelalterlichen Verfahren, das sich extreme Strafverschärfung nennt. Bleiben Sie dran.«
    »Ich höre schon die Telefone klingeln«, meinte Marty düster.
    »Niemand verdient so etwas wie das, was sie ihm angetan haben.«
    »Viele von unseren Zuschauern werden das nicht so sehen.«
    Ein weiterer Countdown bis zum letzten Abschnitt der Sendung. Drei, zwei, eins …
    Melanie ließ nichts aus. Die Randall Corporation. Die acht mal acht Meter große, weiß gekachelte Zelle. Das unerbittliche weiße Licht. Die Kameras. Dreiundzwanzig Stunden am Tag in einem Goldfischglas. Kein Radio, kein Fernsehen, ein Besucher pro Monat. Die ersten Anzeichen dafür, dass Driver den Verstand verlor, und wie diese Anzeichen aus Profitstreben ignoriert worden waren. Ein Aufruf zur Untersuchung der Haftbedingungen in allen Einrichtungen der Randall Corporation und die Forderung, alle Zellen des verschärften Strafvollzugs unverzüglich zu schließen. Als sie geendet hatte, war Martys Gesicht schmerzlich verzogen.
    Schnitt zur Werbung, dann zurück zu Melanie.
    »Hier ist Melanie Harris für American Manhunt. Schalten Sie wieder ein, wenn American Manhunt erneut gegen die kriminelle Plage antritt, die unser Land überzieht. Bis zur heutigen Woche haben American Manhunt und unsere Millionen Zuschauer dazu beigetragen, dass neunhundertsiebenundneunzig gefährliche Kriminelle festgenommen und den Strafvollzugsbehörden überstellt wurden. Fügen wir diese Jungs dieser Liste hinzu. Finden wir sie, bevor es die Behörden tun.« Sie setzte ein schiefes Lächeln auf und zeigte in die Kamera. »Bis zum nächsten Mal«, verabschiedete sie sich feierlich.
    Marty ließ die Hand auf die Tischplatte klatschen.

26
    »Sind Sie sicher, dass Ihr Freund Sie nicht vergessen hat?«
    Der Junge war unter zwanzig, trug schwarze Hosen und ein gebügeltes weißes Hemd, auf dessen Brusttasche SKYWAY PARKSERVICE aufgestickt war.
    »Das frage ich mich allmählich auch«, erwiderte Driver mit einem matten Lächeln. »Er hat gesagt, er wäre gleich wieder da.«
    Ein silberner Mercedes Coupé glitt an den Bordstein. Der Junge verließ seinen Posten am Schlüsselkiosk und eilte um die Vorderseite des Wagens herum zur Fahrertür. »Guten Tag, Mr. Abrams. Wie geht es Ihnen heute?«
    Mr. Abrams war ein kräftiger Mann mit einem Gesicht voller Aknenarben. Am kleinen Finger trug er einen Ring, mit einem Diamanten, so groß wie das Ritz. Er steckte dem Jungen etwas zu, das aussah wie eine Zehndollarnote, und ging die Stufen hinauf, als täten ihm die Füße weh.
    »Fahren Sie heute noch mal weg, Sir?«, wollte der Junge wissen, während er das Geld einsteckte und die Autotür aufzog.
    »Morgen früh fahre ich nach Jersey, um meine Kinder zu besuchen«, antwortete der Mann. »Du kannst ihn auf einen Dauerparkplatz stellen, wenn du willst.«
    »Vielen Dank, Sir.«
    Er hielt die Autotür auf und sah sich nach einem seiner beiden Helfer um. Eine Minute später tauchte ein blonder Halbwüchsiger mit Pickeln und zerknitterter Uniform zwischen den geparkten Autos auf und ließ einen Schlüsselbund um seinen Zeigefinger kreiseln.
    Der Kioskjunge hielt die Mercedes-Tür auf, während sich Blondie hinters Lenkrad gleiten ließ. »Stell ihn auf 'nen Dauerparkplatz«, sagte er. »Er braucht ihn 'ne Weile nicht.«
    Driver hob wie zufällig eine Hand über den Kopf, als wollte er sich recken. Hundert Meter weiter, auf der gegenüberliegenden Seite des Meers aus geparkten Autos und Asphalt, stand Kehoe am Eingang des Parkhauses. Über ihren Köpfen drohten die Wolken, der Sonne Platz zu machen. Kehoe salutierte Driver mit zwei Fingern und verschwand im dunklen Maul des Parkhauses.
    Driver sah zu, wie der silberne Mercedes die zwei Hektar Parkplatz überquerte und in der Garage verschwand. Ein rotes Chrysler-Cabrio fuhr vor, danach ein blauer Chevy Malibu.
    Der Junge winkte die Fahrer zu sich.

Weitere Kostenlose Bücher