Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)
heute darüber nachdenke, bin ich meinem Vater dankbar. Er hat mir beigebracht, wie man die Welt verstehen lernt: indem man sie aus allen Perspektiven beobachtet.
»Geistern« begegnete ich zum ersten Mal im Alter von fünf Jahren. Meine Eltern schafften sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ein kleines Radio an. Sie stellten es ins Wohnzimmer, und ich stellte mich daneben. Ich war fasziniert.
Es handelte sich, wie damals üblich, um ein Röhrenradio mit einer Pappwand, die ich natürlich nicht öffnen durfte. Aber es waren kleine Löcher eingestanzt. Immer wieder linste ich in das Innere des Radios und sah das dunkelrote Glimmen der Röhre. Es war geheimnisvoll. Dann dieses merkwürdige geriffelte Objekt: Erst später lernte ich, dass es sich dabei um einen Drehkondensator handelte. Stundenlang zerbrach ich mir den Kopf darüber, wie aus diesem kleinen Kasten Musik und Stimmen kommen konnten. Steckten Menschen dahinter? Befanden sich am Ende Menschen in dem Radio? Oder wurde es von Wesen betrieben, zu denen ich in meinem kindlichen Alter noch keinen Zugang hatte – von Geistern zum Beispiel?
Bald zogen wir aus dem Tal in Rötenbach nach Neustadt im Schwarzwald um. Unser neuer Nachbar in der Schillerstraße war der ehemalige Chef der städtischen Elektrizitätswerke. Er schenkte mir ein altes Radio, an dem ich herumschrauben und das ich zerlegen durfte. Ein Fest! Ich baute den Empfänger auseinander und reihte die Einzelteile vor mir auf. Da war kein Geist. Nirgends.
Schon damals legte ich eine gewisse Beharrlichkeit an den Tag. Ich wollte ganz genau wissen, wie meine Umwelt funktioniert. Mein Vater war immer wieder der Leidtragende dieser unstillbaren Neugier. Ich erinnere mich an eine Diskussion über Fahrraddynamos und wie sie den Strom erzeugen, der die kleine Lampe zum Leuchten bringt. Zu Hause hatte ich einen Kosmos-Baukasten, den »Elektromann«. Da war alles drin, um zum Beispiel kleine Elektromotoren oder Lampenschaltungen zu bauen. So kam ich auf die Idee, ein »Perpetuum Mobile« zu bauen, also ein Gerät, das man einmal in Gang setzt und das sich dann bis in alle Ewigkeit weiterbewegt, ohne dass man ihm Energie zuführen müsste.
»Wie willst du das machen?«, fragte mein Vater in einem sehr ungläubigen Ton. Wir waren beide gerade über den Flur in unserem Haus gegangen. Ich zog ihn ins Wohnzimmer. Er setzte sich in einen Sessel, und ich stellte mich vor ihn hin.
»Ganz einfach«, meinte ich, »man muss nur einen Elektromotor und einen Dynamo verbinden. Der Dynamo erzeugt den Strom, mit dem der Elektromotor angetrieben wird, der wiederum die Energie erzeugt, mit der der Dynamo angetrieben wird, und so geht es immer weiter.«
Einen halben Tag lang habe ich mit meinem Vater über die Möglichkeit eines Perpetuum Mobile diskutiert. Immer wieder erklärte er mir, warum das leider nicht so leicht sei.
Er sagte: »Es geht nicht, weil durch die Reibung Energie verloren geht.«
Ich sagte: »Dann muss man einfach nur einen stärkeren Dynamo nehmen! Und einen stärkeren Motor! Dann überwindet man die Reibung!«
Ich sah ihn mit leuchtenden Augen an. Mein Vater schüttelte den Kopf. Er blickte aus dem Fenster und schien zu überlegen. Der Nachdruck, mit dem ich diskutierte, erstaunte ihn. Noch einmal setzte er an. Er hob die Hände vor meinen Augen und beschrieb mit der einen Hand einen Kreis. Mit der anderen Hand simulierte er einen Widerstand, das Rädchen des Dynamos, an dem das Rad sich mit jeder Bewegung rieb, sodass es immer langsamer wurde.
»Es tut mir leid: Dein Rad wird immer langsamer werden, je länger es sich dreht. Niemand auf der Welt hat bislang ein funktionierendes Perpetuum Mobile erfunden. Und warum? Weil es unmöglich ist.«
Ich verstummte und wollte nicht einsehen, was er gesagt hatte. Warum, dachte ich, sollte nicht einfach ich derjenige sein, der als Erster ein Perpetuum Mobile baute? Ich trottete aus dem Wohnzimmer, um weiter darüber nachzudenken.
»Nicht traurig sein«, hörte ich meinen Vater noch sagen, als ich die Tür hinter mir schloss. Dabei war ich gar nicht traurig. Im Gegenteil: Ich war motiviert, die Lösung dieses, wie ich heute weiß, unlösbaren Problems zu finden.
Ich interessierte mich aber nicht nur für solche grundlegenden Probleme, wie die Frage nach dem Perpetuum Mobile, sondern baute mithilfe des »Elektromann«-Baukastens Telefonleitungen, die quer über unseren Hof verliefen und später mithilfe des »Radiomanns« von Kosmos mein erstes Radio, mit dem
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