Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
einer hölzernen Ladentheke aus zu.
Concha führte ihre Lippen zum Ohr von Doña Maria del Roser und flüsterte: »Señora, ich habe keine Tochter. Vielleicht meinen Sie ja Laia, die Tochter von Vicenta, der Köchin.«
»Ja, genau, das hübsche Mädchen mit dem lebhaften Blick!« Die Señora wirkte begeistert, doch dann verdüsterte sich ihre Miene wieder. »Nein, das ist keine gute Idee. Ich glaube nicht, dass sich das Mädchen noch für Puppenhäuser interessiert.«
»Laia ist zwölf Jahre alt«, erwiderte Concha, »und sie hat niemals eines gehabt. Ich glaube, es würde ihr sehr gefallen.«
»Nein, nein, nein.« Die Señora verwarf die Idee, als wäre sie ihr sehr lästig, und ging weiter; das Puppenhaus war längst vergessen.
In der Abteilung mit Kochgeschirr bestand sie darauf, dass ihre treue Begleiterin die Auswahl treffen solle. Denn das war gewissermaßen Conchas Rolle, der Grund für deren Anwesenheit. In den Augen von Doña Maria del Roser war Concha eine Art allwissende Beraterin, die Hellseherin bevorstehender Bedürfnisse und selbst Katastrophen, die sich mit entsprechenden Einkäufen abmildern ließen. In Wahrheit war es jedoch Teresa, die neue Hausherrin, die die Hausangestellte drängte, ihre Schwiegermutter nicht eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Also war Concha nicht nur deren Gesellschafterin und Hilfe – denn Doña Maria del Rosers Gesundheit war schon äußerst angeschlagen –, sondern sie sorgte auch dafür, dass der fortgeschrittene geistige Verfall der Matriarchin keine weiteren Unannehmlichkeiten für die Familie mit sich brachte.
Vor einem eifrigen Verkäufer, der die Kochtöpfe und Kasserollen mit einem Stolz präsentierte, als ginge es um wertvollste Seiden- und Organzastoffe, kniff Doña Maria del Roser die Augen zusammen, winkte Concha herbei und sagte: »Wähl du aus, das hier ist dein Bereich.«
Man hat nie erfahren, ob ihre mangelhaften Hauswirtschaftskenntnisse nur vorgetäuscht waren, wenn auch Concha stets vermutete, dass die Señora mehr davon verstand, als sie zeit ihres Lebens zugab. Höchstwahrscheinlich beruhte ihre diesbezügliche Verwirrung eher auf mangelndem Interesse als auf Unfähigkeit. Die Krankheit konnte diese Zweifel auch nicht ausräumen.
An diesem Tag blickte Doña Maria del Roser prüfend auf eine Pfanne, deren Boden ihr ein Zerrbild ihrer Person wiedergab, und meinte: »Wir brauchen davon mindestens ein Dutzend, das stimmt doch, Conchita?«
Ohne genau zu wissen, wie, gelang es Concha, dass sie nur zwei davon kauften. Der Señora hatten es zudem zwei weitere Pfannen sowie vier Kasserollen in unterschiedlichen Größen angetan, alle aus Eisen mit blauem Email und von allerbester Qualität. Tatsächlich benötigten sie keines dieser Utensilien, in den Küchen gab es mehr als genug davon. Aber die Señora verstand nicht, wie man El Siglo verlassen konnte, ohne wenigstens zehn Peseten in der Abteilung für Kochgeschirr im Erdgeschoss ausgegeben zu haben.
»Kochtöpfe sind mir lieber als Brillanten«, pflegte sie verschmitzt zu sagen, als sie noch Herrin ihrer geistigen Fähigkeiten war.
Doch an dem Tag setzte sie sich in den Kopf, dass sie für das Haus unbedingt einen kompletten Satz Kristallgläser benötigten, der mehr als hundert Peseten kostete, und fügte diesen Posten ohne mit der Wimper zu zucken zu den bisherigen Einkäufen hinzu. Dann ging sie in die Abteilung mit Damenmode für die letzte Anprobe einer Abendrobe, die sie in Auftrag gegeben hatte; auf diese Rechnung setzte sie noch ein halbes Dutzend Batistunterröcke und zwei bestickte Mieder. Maria del Roser Golorons war zu eigenständig, um sich von irgendetwas zur Sklavin machen zu lassen, und schon gar nicht von der Mode. Ihr Leben lang hatte sie für ihre Kleidung Kriterien wie Sauberkeit, Bequemlichkeit und angemessene Farben angelegt, aber kurz vor dem letzten Akt ihres Leben bestand sie darauf, wieder zu Röcken mit Tournüre und Schleppe zurückzukehren, die über die Fliesen fegten.
»Bei einer eleganten Dame darf man nur die Spitzen ihrer Schuhe sehen«, stellte sie in entschiedenem Tonfall vor dem verzweifelten Blick der Schneiderin fest, die soeben Skizzen des Dernier Cri aus Paris gezeigt hatte: Mäntel mit einem einzigen Ärmel, die die Kundin als ebenso befremdlich empfand wie die Bezeichnung, die die Warenhausangestellte dafür verwendete: »asymmetrisch«.
»Diesen Franzosen fällt auch nichts mehr ein, womit sie uns beschwindeln können«, sagte sie nur und wandte
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