Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
Roser. Bitte verzeihen Sie mir, aber ich muss noch viele Vorbereitungen treffen.«
»Natürlich, natürlich, wir haben vollstes Verständnis«, sagte Concha.
Maria del Roser reagierte nicht auf die überraschenden Neuigkeiten, die sie soeben erhalten hatten.
»Bestellen Sie Ihren Eltern schöne Grüße von mir«, sprach sie weiter, gemäß der logischen Abfolge von Abschiedsfloskeln, die seit jeher in ihrem Kopf gespeichert war. »Ich sehe Sie nach den Feiertagen wieder, wenn wir das Körbchen für den Enkel kaufen. Seine Geburt wird im … Conchita, wann kommt mein Enkel auf die Welt?«
»Im Mai, Señora.«
»Meine arme Schwiegertochter hatte bereits eine Fehlgeburt, wissen Sie das? Aber diesmal verläuft alles bestens, Gott sei Dank.«
Concha wurde es bei diesen intimen Enthüllungen allmählich unbehaglich zumute. Auch Octavio Conde wirkte mit der Wendung, die das Gespräch nahm, nicht sonderlich glücklich. Begierig, endlich gehen zu können, küsste er Maria del Roser erneut die Hand, verbeugte sich vor Concha und wies den Kellner an, die Rechnung der beiden auf Kosten des Hauses zu setzen.
Kaum war Octavio außer Sicht, machte sich auf dem Gesicht von Maria del Roser großer Verdruss breit.
»Wir haben gar nicht daran gedacht, ihn zu fragen, ob es seiner Frau besser geht. Wir sind ganz schön unhöflich.«
»Señora, Don Octavio ist Junggeselle. Sie meinen bestimmt Doña Cecilia Gómez del Olmo, seine Mutter«, wandte Concha vorsichtig ein, worauf ihre Señora zustimmend nickte. »Die Arme ist schon vor Jahren gestorben.«
»Wirklich? Und, hat ihr Mann noch einmal geheiratet?«
»Nein, Señora. Don Eduardo Conde ist der Erinnerung an seine verstorbene Frau immer treu geblieben. Bis zu seinem Tod, aber der ist auch schon lange her.«
Maria del Roser runzelte die Stirn.
»Also, Conchita, wir kommen nur noch durcheinander.«
Sie gingen ein paar Schritte, aber ehe sie den Fahrstuhl erreichten, blieb die ältere Dame wieder stehen. Ein Angestellter in einer dunkelroten Livree öffnete die Tür, damit sie einsteigen konnten.
»Wie soll mein Enkel noch einmal heißen, Conchita? Ich vergesse es andauernd«, fragte sie, während sie ihre Röcke in den Lift bugsierte.
»Modesto, Señora. Wenn es ein Junge wird. Und wenn es ein Mädchen wird, wissen sie es noch nicht«, sagte Concha voller Angst. Voller Angst vor dem schlafenden Schmerz, der jeden Moment aufwachen kann.
»Mir würde Violeta gefallen«, sagte die Matriarchin. »Es muss so bald wie möglich wieder eine Violeta in der Familie geben.«
Der Schmerz schlief, stellte Concha beruhigt fest.
»Jetzt wollen sie doch tatsächlich meinem Enkel einen Namen wie für einen Liftboy geben!«, knurrte Maria del Roser, ungeachtet des Warenhausangestellten vor ihnen. »Weißt du, warum sie einen derart scheußlichen Namen ausgesucht haben? Es gibt doch so schöne Heiligennamen!«
»Zu Ehren des Malers, der Ihren Sohn unterrichtet hat, Señora.«
Dieses Gespräch hatten sie schon ein Dutzend Mal geführt. Aber die Wiederholung hinterließ bei keiner der beiden nachhaltigen Eindruck.
»Ach so, stimmt. Mein Sohn ist ja Künstler. Ich glaube, er malt gar nicht mal so schlecht.«
»Natürlich nicht, Señora. Er ist sehr erfolgreich, und er wird sehr geschätzt«, bestätigte Concha mit mütterlichem Stolz.
Hinter den beiden nahm ein riesiges Werbeplakat fast die gesamte Seitenwand des Aufzugs ein. Es zeigte eine junge Dame in Abendrobe, und in einer Ecke stach der Name des Künstlers in einem großen schwarzen Schriftzug hervor: Amadeo Lax. Das Bild sollte die Kunden anlocken, so wie vor einem Dutzend Jahren, als es bereits für das Warenhaus als Werbung diente.
»Ist dir heute Octavio nicht auch etwas merkwürdig vorgekommen? Nicht richtig er selbst, oder?«, fragte Maria del Roser plötzlich.
Concha hatte den gleichen Eindruck gewonnen. Sie führte dies auf die Nervosität vor der Reise zurück, die ihnen Don Octavio gerade angekündigt hatte.
»Wenn mein Sohn so viel Einsatz bei der Führung der Fabriken seines Vaters und seines Großvaters gezeigt hätte, dann wären wir jetzt keine armen Leute«, äußerte die Señora plötzlich, ehe sie voller Elan rief: »Wir steigen hier aus, junger Mann! Gehen Sie zur Seite!«
Concha trat mit puterrotem Gesicht aus dem Aufzug. Maria del Roser stieg ohne weitere Umstände aus, von irgendeiner Eile getrieben, die nur in ihrem Kopf existierte.
»Señora, Sie sind nicht arm«, erwiderte die Gesellschafterin,
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