Die Gelehrten der Scheibenwelt
blickten zurück.
Die große Katze rührte sich nicht.
Ein weiterer Blitz zuckte vom Himmel, traf einen abgestorbenen Baum und setzte ihn in Brand. Vor der violetten Korona des Sturms, rot im Licht des brennenden Baums, zeichnete sich eine beeindruckende Gestalt ab – sie trug einen großen Feuerstein in jeder Armbeuge.
Wie Rincewind gesagt hatte: Eine solche Vision vergaß man nicht.
Rincewind konnte hier nicht essen. Zumindest nicht auf die übliche Weise. Vielleicht gelang es ihm irgendwie, Nahrungsbrocken in den Mund zu befördern, aber sie würden in diesem Universum bleiben, und deshalb befürchtete er, daß sie einfach durch ihn hindurchglitten, zum großen Erstaunen der Beobachter.
Außerdem stand ihm nicht der Sinn nach gebratenem Leoparden.
Der Bibliothekar war sehr fleißig gewesen und hatte den Ort in eine Art Ausbildungslager für Leute verwandelt, die kaum aufrecht stehen konnten. An das Feuer gewöhnten sich die Affen schnell – nach einigen lehrreichen Versuchen, sexuell damit zu verkehren. Einigen von ihnen gelang es, das eigene Fell anzuzünden.
Sie lernten auch die Kochkunst, wobei sie zu Anfang mit den eigenen Artgenossen experimentieren.
Rincewind seufzte. Er hatte neue Spezies kommen und gehen gesehen, und diese schien nur wegen ihres Unterhaltungswerts auf die Welt gebracht worden zu sein. Die Affen begegneten dem Leben mit der gleichen Einstellung wie Clowns, und sie zeigten auch ein ähnliches Maß an fröhlicher Gemeinheit.
Der Bibliothekar zeigte ihnen, wie man Feuersteine beschlug, und dabei benutzte er die beiden Exemplare, die von der Truhe ins andere Universum gebracht worden waren. Die Affen lernten schnell, mit Steinen nach Steinen – und allem anderen in der Nähe – zu schlagen. Scharfe Kanten faszinierten sie.
Schließlich trat Rincewind zum Bibliothekar und klopfte ihm auf die Schulter.
»Wir haben hier den ganzen Tag verbracht«, sagte er. »Wir sollten jetzt zurückkehren.«
Der Orang-Utan nickte und stand auf. »Ugh.«
»Glaubst du, es wird klappen?«
»Ugh!«
Rincewind beobachtete die Affen. Einer von ihnen schlug erneut auf den Kadaver der Raubkatze ein.
»Wirklich? Aber es sind doch nur … haarige Papageien.«
»Iiek ugh.«
»Nun … ja. Das stimmt.« Rincewind richtete einen letzten Blick auf die Horde. Zwei Affen stritten sich ums Fleisch. Nun, Affen äfften nach …
»Ich bin froh, daß du das gesagt hast«, erwiderte er.
Bei ihrer Rückkehr war weniger als eine Scheibenweltsekunde vergangen. Als sie durchs Omniskop blickten, zeigten sich mehrere Feuer auf der Nachtseite des Planeten.
Der Bibliothekar wirkte zufrieden. »Ugh«, sagte er.
Fortschritt bedeutet Rauch. Aber Rincewind war nicht ganz überzeugt. Die meisten Feuer verbrannten Wälder.
VIERUNDVIERZIG
Extel Outside
Fortschritt bedeutet Rauch … Dann hat die Menschheit im Laufe der Jahre zweifellos große Fortschritte gemacht. Wie haben wir das fertiggebracht? Weil wir intelligent sind, wir haben Hirn . Sogar Verstand. Aber auch andere Lebewesen sind intelligent – insbesondere Delphine. Sie scheinen weiter nichts zu tun, als sich im Meer ihres Lebens zu erfreuen. Was haben wir, das sie nicht haben?
Viele Diskussionen über den Verstand behandeln ihn im Grunde als eine Frage der Hirnarchitektur. Nach dieser Sichtweise hängt davon ab, wozu Gehirne imstande sind, und dann ergeben sich die verschiedenen Dinge, die wir mit dem Geist in Verbindung bringen – die schwierigen Probleme des freien Willens, des Bewußtseins und der Intelligenz – aus der Neurophysiologie. Das ist die eine Herangehensweise. Die andere übliche ist es, das Problem aus der Sicht eines Gesellschaftswissenschaftlers oder eines Anthropologen zu betrachten. Aus dieser Sicht werden die Fähigkeiten des Geistes größtenteils als ›gegeben‹ vorausgesetzt, und die Hauptfrage ist, wie menschliche Kulturen auf jenen Fähigkeiten aufbauen, um einen Geist zu schaffen, der originelle Gedanken haben kann, Gefühle, Konzepte wie Liebe und Schönheit und so weiter. Man könnte meinen, daß diese beiden Herangehensweisen zusammen so ziemlich das gesamte Gebiet abdecken. Man braucht sie nur zu verknüpfen und hat eine vollständige Antwort auf die Frage nach dem Geist.
Neurophysiologie und Kultur sind jedoch nicht unabhängig voneinander: Sie sind ›komplizit‹* [ * Das ist kein Druckfehler und soll nicht ›kompliziert‹ heißen. Ein Komplize ist bekanntlich ein Mittäter. – Anm. d. Übers. ]. Damit meinen wir,
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