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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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uralten Zivilisation.
    Bis gegen Ende 1998 war der natürliche Reaktor in Oklo auch der beste Beweis, den wir finden konnten, um zu zeigen, daß eine der größten Was-wäre-wenn-Fragen der Wissenschaft eine uninteressante Antwort hat. Die Frage lautet: ›Was wäre, wenn die Naturkonstanten gar nicht konstant sind?‹
    Unseren wissenschaftlichen Theorien liegen etliche Zahlen zugrunde, die ›Grundkonstanten‹. Dazu gehören die Lichtgeschwindigkeit, das Plancksche Wirkungsquantum (grundlegend für die Quantenmechanik), die Gravitationskonstante (grundlegend für die Gravitationstheorie), die Elementarladung des Elektrons und so weiter. Alle anerkannten Theorien gehen davon aus, daß diese Werte vom allerersten Moment an, da unser Universum explosionsartig ins Dasein trat, immer gleich geblieben sind. Unsere Berechnungen über die Anfänge des Universums stehen und fallen damit, ob diese Werte gleich blieben; wenn sie sich geändert hätten, wüßten wir nicht, welche Werte wir in die Berechnungen einsetzen sollen. Es ist, als wolle man seine Einkommenssteuer ausrechnen, wenn einem niemand die Steuersätze sagt. Von Zeit zu Zeit treten vereinzelte Wissenschaftler mit einer irregulären Was-wäre-wenn-Theorie auf, in der sie die Möglichkeit ausprobieren, daß eine oder mehrere Grundkonstanten nicht konstant sind. Der Physiker Lee Smolin hat sogar eine Theorie sich entwickelnder Universen präsentiert, die aus Baby-Universen mit unterschiedlichen Grundkonstanten knospen. Dieser Theorie zufolge versteht sich unser Universum besonders gut darauf, solche Babys zu erzeugen, und ist auch besonders gut für die Entwicklung von Leben geeignet. Diese beiden Eigenschaften, behauptet er, träfen nicht zufällig zusammen. (Die Zauberer an der Unsichtbaren Universität würden sich mit derlei Ideen übrigens leicht anfreunden – hinreichend hoch entwickelte Physik ist ja von Magie nicht zu unterscheiden.)
    Oklo sagt uns, daß sich die Grundkonstanten in den letzten zwei Milliarden Jahren nicht verändert haben – das ist etwa das halbe Alter der Erde – und ein Zehntel vom Alter des Universums. Der Schlüssel der Beweisführung ist eine spezielle Kombination von Grundkonstanten, die ›Feinstrukturkonstante‹ genannt wird.* [ * Die Feinstrukturkonstante ist definiert als das Quadrat der Elektronen-Elementarladung, geteilt durch das doppelte Produkt aus dem Planckschen Wirkungsquantum, der Lichtgeschwindigkeit und der elektrischen Feldkonstanten. (Mit einer handlichen Lüge könnte man sich die letztere Größe vorstellen als ›die Art, wie das Vakuum auf eine elektrische Ladung reagiert‹.) Danke. ] Ihr Wert kommt 1 / 137 sehr nahe (und eine Menge Tinte wurde aufgebracht, um diese ganze Zahl 137 zu erklären, zumindest bis genauere Messungen den Wert als 137,036 bestimmten). Die Feinstrukturkonstante hat den Vorteil, daß ihr Wert nicht von den gewählten Maßeinheiten abhängt – anders als beispielsweise die Lichtgeschwindigkeit, die einen anderen Zahlenwert hat, je nachdem ob man sie in Meilen pro Sekunde oder in Kilometern pro Sekunde ausdrückt. Der russische Physiker Alexander Schljachter hat die verschiedenen Chemikalien im ›Atommüll‹ des Oklo-Reaktors untersucht und ermittelt, wie groß die Feinstrukturkonstante vor zwei Milliarden Jahren gewesen sein muß, als der Reaktor in Betrieb war. Das Ergebnis war derselbe Wert wie heute mit einer Genauigkeit von einigen Zehnmillionsteln.
    Ende 1998 hat jedoch eine Gruppe Astronomen unter der Leitung von John Webb eine sehr genaue Untersuchung des Lichts angestellt, das von Quasaren ausgestrahlt wird, extrem fernen, aber sehr hellen Körpern. Sie fanden feine Abweichungen in bestimmten Eigenschaften des Lichts, die Spektrallinien genannt werden und mit den Schwingungen unterschiedlicher Arten von Atomen zusammenhängen. Was sie entdeckt zu haben scheinen, läuft darauf hinaus, daß vor vielen Jahrmilliarden – lange vor dem Oklo-Reaktor – die Atome nicht ganz genauso wie heute schwangen. In sehr alten Gaswolken aus frühen Stadien des Universums weicht die Feinstrukturkonstante um ein Fünfzigtausendstel vom heutigen Wert ab. Nach den Maßstäben dieses speziellen Gebiets der Physik ist das eine sehr große Abweichung. Soweit man es feststellen kann, geht dieses unerwartete Ergebnis nicht auf Meßfehler zurück. Eine 1994 von Thibault Damour und Alexander Poljakow aufgestellte Theorie weist auf eine mögliche Variation in der Feinstrukturkonstante hin, liefert

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