Die Geliebte des italienischen Millionaers
es sich selbst schuldig, dass er ihr diesen Beweis seiner Unschuld unterbreitete.
Es würde Vivien den Tag verderben, vielleicht sogar die ganze Woche. Sie war behütet und beschützt aufgewachsen, sehr naiv und leicht verletzlich. Da sie schnell ein schlechtes Gewissen bekam und dann sehr darunter litt, wäre die Erkenntnis, dass sie ihren Mann zu Unrecht verurteilt hatte, sicher quälend. Vielleicht würde ihm jetzt endlich Gerechtigkeit widerfahren. Aber was nützte das? Der Schaden war angerichtet.
"Komm endlich hervor, Jock", bat Vivien den dreibeinigen Hund, der sich unter dem Schrank versteckt hatte.
Aber der rührte sich nicht. Er hatte den Mann, der die Waschmaschine reparierte, nicht ins Bein zwicken und sein Frauchen nicht vor diesem Eindringling beschützen dürfen. Jock war immer beleidigt, wenn er männliche Besucher nicht aus dem Haus jagen durfte.
Marco gluckste vor Vergnügen und krabbelte über den Boden auf den Schrank zu, um seinem liebsten Spielgefährten Gesellschaft zu leisten.
Vivien hob ihn hoch, und er blickte sie mit seinen großen braunen Augen, die von dichten schwarzen Wimpern umrahmt wurden, vorwurfsvoll an. Dann versuchte er, sich aus den Armen seiner Mutter zu winden. Als es ihm nicht gelang, fing er vor Zorn an zu schreien.
Sie wappnete sich gegen die bevorstehende Auseinandersetzung. "Nein", erklärte sie ruhig und bestimmt. Nach dem peinlichen Vorfall kürzlich im Supermarkt hatte sie sich vorgenommen, mit den Temperamentsausbrüchen ihres Sohnes besser umzugehen.
Ungläubig sah Marco ihr in die großen grünen Augen. Sein Kindermädchen Rosa sagte auch immer Nein, sein Vater ebenfalls. Aber Marco wusste genau, dass seine Mutter ihn geradezu anbetete und alles tat, was er wollte. Mit seinen achtzehn Monaten verhielt er sich schon wie ein kleiner Tyrann. Er hatte gemerkt, dass er mit seinen Wutanfällen alles erreichen konnte. Deshalb atmete er jetzt tief ein und schrie weiter.
Vivien war ausgesprochen zierlich und nicht sehr groß und konnte den kräftigen Jungen kaum festhalten, wenn er zornig um sich schlug. Sie setzte ihn in den Laufstall. Einmal war er ihr bei einem seiner Ausbrüche vom Schoß gefallen und hatte sich am Kopf verletzt. Seitdem setzte sie ihn immer hin, um ihn vor sich selbst zu schützen.
"Er ist ein verwöhnter Balg", hatte ihre Schwester Bernice missbilligend erklärt, und Vivien war sehr verletzt gewesen.
"Marco ist ein sehr anspruchsvolles Kind, stimmt's?" hatte Fabian Garsdale es diplomatischer ausgedrückt. Er war ein guter Freund und Kollege und arbeitete genau wie sie am Institut für Biologie der Universität. Sie hatte ihm angesehen, wie schockiert er war und wie sehr er Marcos Verhalten missbilligte. "Hast du schon einmal daran gedacht, es mit den altmodischen, aber keineswegs schlechten Erziehungsmethoden zu versuchen?"
"Sie müssen versuchen, konsequenter und energischer zu sein", hatte Rosa, Marcos Kindermädchen, Vivien geraten. Bei Rosa hatte er nur selten solche Temperamentsausbrüche. "Marco hat einen extrem starken Willen."
Vivien machte neben dem Laufstall einen Handstand, um Marco abzulenken. Er hielt wirklich mitten im Schreien inne, und seine Miene hellte sich bei dem Anblick auf, den seine Mutter darbot. Und dann musste er lachen. Sogleich stellte sie sich wieder auf die Füße und umarmte ihren Sohn, während sie ihre Tränen wegblinzelte. Die ganze Liebe, die sie für Lucca empfunden hatte, ließ sie jetzt ihrem Sohn zuteil werden. Ohne Marco wäre sie mit dem Kummer und Schmerz über das Scheitern ihrer Ehe und die Trennung von Lucca nicht zurechtgekommen. Das Kind hatte ihre volle Aufmerksamkeit gebraucht. Dennoch war sie noch längst nicht darüber hinweg, dass Lucca sie betrogen hatte. Sie nahm alles viel zu schwer und hatte schon als Kind gelernt, ihre Gefühle zu verbergen.
Plötzlich hörte sie einen Wagen über die mit Kies bedeckte Einfahrt fahren. Bernice kam zurück. Sogleich kroch Jock unter dem Schrank hervor, bellte ein einziges Mal und blickte zur Wohnzimmertür. Dann zog er sich wieder in sein Versteck zurück. Wenig später wurde die Tür geöffnet, und eine große, langbeinige Brünette kam herein. Man hätte sie als schöne Frau bezeichnen können, wenn sie nicht so hart und verbittert gewirkt hätte.
Marco gähnte und lehnte sich an seine Mutter. Seine Tante interessierte sich sowieso nicht für ihn. Sie beschwerte sich höchstens über sein Geschrei und seine Wutanfälle.
Mit einem kurzen Blick
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