Die Geliebte des Prinzen
kleiner Kuss in betrunkenem Zustand. Kurz darauf lernte er Francesca kennen, die sicher in jeder Beziehung perfekt ist. Deshalb möchte ich, dass du über mich Bescheid weißt“, setzte sie betreten hinzu. „Für den Fall, dass ich … nicht so perfekt bin wie sie. Wahrscheinlich stelle ich mich total ungeschickt an.“
Ungeschickt?
Das also war die Erklärung für ihre Zurückhaltung. Sie war noch Jungfrau! Aufgewühlt dachte er daran, dass er ihr um ein Haar die restlichen Kleider vom Leib gerissen hätte, um sie hemmungslos zu erobern.
„Bitte, Maxim. Die Tatsache, dass ich … ich meine, es macht keinen Unterschied“, sagte sie weich. „Wirklich nicht.“
Er biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf.
„Da täuschst du dich.“
Sie war noch Jungfrau. Sie war in doppelter Hinsicht unschuldig. Er konnte sie nicht für sein übles Machtspiel missbrauchen. Er war auf so manches gefasst gewesen, nur nicht darauf. Er konnte sich über alles hinwegsetzen, aber nicht über ihre naive Unschuld. Damit setzte sie ihn, den skrupellosen Eroberer, schachmatt.
„Maxim, das ändert doch nichts zwischen uns.“ Sie streckte die Hand nach ihm aus, doch er fing sie ab und hielt sie fest.
„Nein, Grace. Nein.“
Energisch zog er sie vom Bett hoch, brachte ihr Kleid in Ordnung und legte ihr den Mantel um die Schultern. Zwei Minuten später fuhr er mit ihr im Aufzug nach unten.
„Wohin bringst du mich?“, flüsterte sie, als sie draußen auf der Straße standen.
Schweigend winkte er ein Taxi heran. Dann erst drehte er sich zu ihr um.
„Du fährst nach Hause, und zwar allein.“
Mit sanfter Gewalt schob er sie auf die Rückbank des Taxis, nannte dem Fahrer ihre Adresse und gab ihm zusätzlich zum Fahrpreis ein saftiges Trinkgeld.
„Nein, warte!“, flehte Grace, wie aus einer Trance erwacht. „Bitte nicht, Maxim …“
„Doch, du fährst.“
„Aber …“
„Fahren Sie los“, wies er den Fahrer an und schlug die Wagentür zu.
Er sah dem Taxi nach, als es mit Grace davonfuhr. Sah die Ratlosigkeit und Enttäuschung in ihren Augen, als sie sich noch einmal zu ihm umdrehte. Dann war sie verschwunden.
Und da spürte Maxim zum ersten Mal an diesem Abend die bittere Kälte, die in der Luft lag.
Herrje, was habe ich getan?, dachte er fassungslos. Er konnte nicht glauben, dass er sie hatte gehen lassen. Dass er Rücksicht auf sie genommen hatte.
Rücksicht . Rücksicht war in seinen Augen immer ein Zeichen von Schwäche gewesen. Er hatte Grace gehen lassen. Er war schwach geworden.
Unwirsch fuhr er sich durchs Haar. Noch immer sehnte er sich schmerzlich nach ihr. Nun, da er wusste, dass sie noch unberührt war, begehrte er sie umso heftiger. Er wollte sie in seinem großen, weichen Bett verführen, sie in die Geheimnisse der Liebe einweihen, sie wieder und wieder erobern, den Glanz in ihren Augen sehen, wenn sie erfuhr, was sexuelle Erfüllung hieß. Er würde sie auf jede erdenkliche Weise lieben, langsam und zärtlich, stürmisch und leidenschaftlich. Ihr erster Mann.
Mit einem rauen, zornigen Laut, der ihm einen verblüfften Blick des Portiers eintrug, kehrte er ins Hotel zurück. Oben in seiner Suite riss er sich die Krawatte vom Hals und schenkte sich einen Wodka ein, in Gedanken immer nur bei Grace.
Warum hatte er sie nur weggeschickt?
Aus Rücksicht auf ihre Gefühle, dachte er verächtlich. Er leerte sein Glas in einem Zug, doch alles, was er wollte, war sie. Sein Körper brannte vor Verlangen nach ihr. Finster musterte er das große, leere Bett. Er hätte sie haben können, aber er hatte sie gehen lassen.
Morgen, so schwor er sich grimmig, morgen habe ich mich wieder im Griff. Dann kenne ich keine Gnade mehr. Dann wird sie mir gehören.
Trübsinnig blickte Grace am nächsten Morgen bei der Arbeit aus dem Fenster.
Der Schnee, der London gestern Abend in ein weißes Wintermärchen verwandelt hatte, war wieder in Nieselregen übergegangen. Und ebenso schnell wie der Schnee war auch der Zauber des Abends zerronnen.
Die Chefetage der Firma Cali-West lag im dreißigsten Stockwerk eines Hochhauses im Geschäftsviertel Canary Wharf. Unten in den Straßenschluchten zwischen den modernen Bürokomplexen des ehemaligen Hafenviertels herrschte reger Betrieb, doch Grace erschien die ganze Stadt heute grau und trostlos.
Vielleicht weil auch ihre Stimmung so war. Grau und trostlos. Seufzend wandte sie sich erneut dem Computerbildschirm zu, doch immer wieder kamen Erinnerungen an den gestrigen Abend
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