Die Geliebte des Prinzen
in ihr hoch.
Sie hatte sich geschworen, sich nicht von Maxim verführen zu lassen. Aber genau das hatte sie getan! Nicht nur das, sie hatte sich ihm geradezu an den Hals geworfen. Und er? Hatte sie abgewiesen.
Müde massierte sie sich die Schläfen und strich ihren zerknitterten beigefarbenen Rock und den etwas zu großen braunen Blazer glatt. Zum Bügeln war sie heute Morgen nicht mehr gekommen. Sie hatte die ganze Nacht wach gelegen, war dann morgens doch noch kurz eingenickt und hatte prompt das Weckerklingeln überhört. Jetzt wand sie sich vor Scham, wenn sie nur daran dachte, was letzte Nacht passiert war.
Nicht, dass sie nicht versucht hätte, Maxim zu widerstehen.
Doch nachdem er sich ihr gegenüber so unerwartet verletzlich gezeigt hatte, als er von seiner Familie sprach, war ihr Widerstand dahingeschmolzen.
Allerdings hatte sie ihre Anziehungskraft auf ihn wohl überschätzt. Kein Wunder! Was wusste sie schon von Männern? Er hatte doch Lust gehabt, mit ihr zu schlafen. Nur hatte er es sich plötzlich anders überlegt. Erst brachte er sie mit seinen heißen Küssen beinahe um den Verstand, zog sie aus und streichelte sie am ganzen Körper – und dann setzte er sie von einer Minute auf die andere ins Taxi und schickte sie ohne ein Wort des Abschieds nach Hause.
Der Grund lag auf der Hand. Es war ihre Unerfahrenheit, die ihn störte. Welcher Mann wollte schon mit einer fünfundzwanzigjährigen Jungfrau ins Bett gehen?
Mitten in der Nacht war sie noch einmal aufgestanden und hatte das Kleid und den Mantel von Leighton wieder eingepackt, zusammen mit der diamantbesetzten Tiara. Sie würde Maxim die Sachen später ins Hotel schicken.
Im Nachhinein konnte sie kaum glauben, dass sie gestern Abend in dieser Aufmachung eine Party der High Society besucht hatte. Und von dem hinreißendsten Mann der ganzen Stadt – ach, der ganzen Welt! – leidenschaftlich geküsst worden war.
Gut, dass er mich weggeschickt hat, dachte sie frustriert, während sie mit leerem Blick auf den Bildschirm starrte.
Sie hatte geglaubt, ihm widerstehen zu können, doch in dieser zauberhaften, verschneiten Winternacht hatte sie völlig den Kopf verloren. Maxim hatte sie auf magische Weise verführt, sie willenlos und schwach gemacht. Sie fragte sich, ob sie Alan überhaupt je geliebt hatte. Wenn ja, wie hatte sie sich dann so bereitwillig auf Maxim einlassen können?
Wie aufs Stichwort drang Alans gereizte Stimme an ihr Ohr: „Sagen Sie mal, wo waren Sie eigentlich gestern Abend? Ich war früh zurück, aber Sie waren nicht da.“
Grace sah auf. Es war kurz vor halb elf, und Alan kam jetzt erst ins Büro. Das war wieder einmal typisch für ihn! Gar nicht typisch war der mürrische Ausdruck auf seinem netten, sommersprossigen Gesicht.
„Ich war aus.“ Mehr brauchte er nicht zu wissen.
„Haben Sie schon alles für die Hochzeit arrangiert?“
Plötzlich stieg flammender Zorn in ihr auf, ein Gefühl, das ihr normalerweise fremd war. Ihr Chef schien zu glauben, sie hätte nichts Besseres zu tun, als den ganzen Abend mit seiner Hochzeitsplanung zu verbringen. Und das, nachdem sie schon das Geschenk für ihn besorgt hatte!
Sie ballte vor Wut die Hände unter dem Tisch zu Fäusten. Nicht genug, dass Alan nie vor zehn Uhr im Büro erschien. Nicht genug, dass sie die letzten drei Stunden damit zugebracht hatte, in rasender Eile seine Rede für die Benefizgala heute Nachmittag zu schreiben. Und das, nachdem er wochenlang versichert hatte, er werde sich selbst darum kümmern!
„Überraschung!“ Die Sekretärin vom Empfang kam hereingerauscht, einen riesigen Strauß langstieliger Callas-Lilien im Arm, den sie auf dem Schreibtisch ablegte. „Sind die nicht wundervoll?“
„Oh, vielen Dank.“ Alan lächelte geschmeichelt und griff wie selbstverständlich nach der beigefügten Karte. „Wer schickt mir denn da …“
„Moment, Mr. Barrington! Die Blumen sind für Miss Cannon.“
„Für mich?“, rief Grace verblüfft.
„Für Sie?“, rief Alan ebenso entgeistert. „Aber wer …?“
Grace zog die Karte aus dem Umschlag und las schweigend die in schwungvoller Handschrift verfasste Nachricht:
Gestern hast du mich geblendet
wie die Sonne an einem Wintertag.
Nun warte ich hier draußen,
dass strahlend die Sonne aufgeht.
M.
Grace war überwältigt vor Glück. Sie hatte sich also doch nicht lächerlich gemacht. Ihre Unerfahrenheit hatte Maxim nicht abgeschreckt. Er hatte sie nur weggeschickt, weil … weil er mehr als nur einen
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