Die Geliebte des Prinzen
ihre Wangen.
„Hast du in Russland gelernt, so zu flirten?“, fragte sie, lachte kurz auf und ging weiter. „Du bist ziemlich gut darin.“
Seine Prinzessin wollte ihn hinhalten. Nun gut, dann würde er sich eben gedulden. „Ich bin in England aufgewachsen.“
„In London?“
„Ja, auch. Wir sind oft umgezogen. Mein Vater hatte nie lange denselben Job. Wir waren arm. Er ist ziemlich früh gestorben.“
„Das tut mir leid. Mein Vater ist auch tot. Er starb vor fünf Jahren an Krebs.“ Grace schluckte trocken. „Meine Mutter hat sich nie wirklich davon erholt. Sie verlässt selten das Haus. Das ist auch der Grund, weshalb …“ Sie unterbrach sich und blickte beschämt zur Seite.
„Der Grund wofür?“
Heftig blinzelnd wandte sie sich ihm wieder zu. „Entschuldige, ich habe dir Unrecht getan. Ich dachte, du wüsstest nicht, was es heißt, zu kämpfen und zu leiden, weil du doch ein Prinz bist.“
„Ja, ein Prinz“, meinte er voller Sarkasmus. „Entfernter Anwärter auf einen Thron, den es, falls es dir entgangen sein sollte, in Russland seit knapp hundert Jahren nicht mehr gibt.“
„Aber immerhin …“
„Der Prinz von Nichts und Nirgendwo“, fügte er barsch hinzu. „Das Geld ist es, was zählt. Nur das Geld.“
„Ach Maxim.“ Sie schüttelte den Kopf. „Geld ist nicht das Wichtigste im Leben, sondern die Menschen, die du liebst und um die du dich kümmerst.“
„Und dazu braucht man Geld.“
„Nicht unbedingt. Wie deine Schwester schon sagte – sie braucht keine teuren Geschenke, sie braucht dich. Deine Zeit, deine …“
„Ein rührendes Statement“, unterbrach er sie schroff. „Aber meine Schwester ist zu jung, um sich zu erinnern, wie wir damals in Philadelphia beinahe verhungert und erfroren wären. Seitdem habe ich alles dafür getan, um uns abzusichern. Damit nichts und niemand meine Mutter und meine Schwester je wieder gefährden konnte.“
„Du beschützt deine Familie.“ Tränen glitzerten in ihren Augen. Ihre Hände in den Taschen des teuren Designermantels waren zu Fäusten geballt. „Ich hätte in Kalifornien bleiben müssen. Ich hätte meine Mutter nie alleinlassen dürfen.“
Maxim spürte eine plötzliche Enge in seiner Kehle. „Manchmal kann man die Menschen, die man liebt, nicht beschützen, auch wenn man bei ihnen ist. Ich habe mit zwanzig meine erste Million gemacht, aber das Leben meiner Mutter konnte ich nicht retten.“
„Oh, nein“, sagte sie erschüttert. „Was ist passiert?“
„Ein Aneurysma im Gehirn. Sie starb ganz unerwartet. Ich … ich konnte nichts mehr für sie tun.“
Die Worte kamen ihm nur mühsam über die Lippen. Noch nie hatte er mit jemandem über den Tod seiner Mutter gesprochen, nicht einmal mit Daria, die damals neun gewesen war.
Er rechnete damit, dass Grace ihn sofort auf den Widerspruch in seinen eigenen Aussagen hinweisen würde. Weil er doch behauptet hatte, Geld sei alles, was zählt.
Stattdessen hob sie die Hand und legte sie an seine Wange. Es war das erste Mal, dass sie ihn von sich aus berührte.
„Es war nicht deine Schuld“, tröstete sie ihn sanft. „Du hast gut für deine Familie gesorgt. Du hast getan, was du konntest.“
Er erbebte leicht, schmiegte die Wange an ihre warme, weiche Hand und schloss für einen Moment die Augen.
„Du bist etwas ganz Besonderes, Grace Cannon“, sagte er tief bewegt. „Ich habe noch nie eine Frau wie dich getroffen.“
Sie lachte und richtete den Blick auf die Uferböschung, wo im Licht der Straßenlaternen der Fluss durch das kahle Geäst schimmerte. „Ich bin nichts Besonderes. Ich bin absolut durchschnittlich.“
„Du bist eine ganz ungewöhnliche Frau.“
„In diesen Kleidern vielleicht.“
„Nein. Ich rede von der Frau, die darin steckt. Grace. Du bist wie dein Name, so anmutig und großzügig. Grace. Wie, sagtest du, ist dein zweiter Vorname? Diana?“
„Lach nicht.“
„Deine Mutter glaubte wohl an Märchen?“
„Ja.“ Grace verzog das Gesicht. „Ihren beiden Lieblingsprinzessinnen Grace Kelly und Lady Di war leider kein langes, glückliches Leben vergönnt.“
„Und du, solnischka mayo ?“, fragte er leise. „Glaubst du an Märchen?“
Sie schlug kurz die Augen nieder. „Früher, ja. Von ganzem Herzen.“
„Und heute?“
In der kalten, mondhellen Winternacht sahen sie einander in die Augen. Ihr Blick glitt zu Maxims Mund. Mit der Zungenspitze fuhr sie sich über die leicht geöffneten Lippen – eine Versuchung, der kein Mann
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