Die Geliebte des Rebellen
ihre eiskalten Hände. “Meine Liebe, ist mit dir alles in Ordnung?” erkundigte er sich besorgt.
Die Königin winkte ungeduldig mit einer Hand. “Eurer Tochter geht es gut, Lord Thompson. Sie wird mit Euch nach Hause zurückkehren, wie es sich für eine pflichtbewusste Tochter gehört, nicht wahr, AnnaClaire?”
“Ja, Eure Hoheit.”
“Dann geht jetzt. Ihr seid entlassen.”
AnnaClaire spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Wie durch einen Schleier hindurch nahm sie die Umgebung wahr und stürzte hastig zur Tür. Im Hinausgehen hörte sie noch, wie die Königin zu einem Bediensteten sagte: “Conor O’Neil soll zu mir kommen. Ich will ihn in meinen Gemächern sehen sowie die Gespräche mit meinen Beratern beendet sind.”
“Was habt Ihr, Mylady?” Innis hatte vor der Tür zu den königlichen Gemächern auf AnnaClaire gewartet und hielt sie an der Hand fest, als sie sich abwandte, um ihre Tränen zu verbergen.
“Ach, Innis. Ich habe alles falsch gemacht.”
“Nein, Mylady. Conor glaubt nach wie vor, dass er die Königin dazu bringen kann, Rory freizulassen. Er sagt, die Königin mag ihn. Und Frauen, die ihn mögen, meint Conor, haben immer getan, was er wollte.”
“Aber es ist zu spät. Du hast doch auch gehört, was Tilden angedroht hat.”
“Ja, und wenn ich meinen Dolch gehabt hätte, hätte ich ihn Rory zugesteckt, damit er sich verteidigen kann.”
AnnaClaire schüttelte verzweifelt den Kopf. “Rory ist schon längst wieder im Kerker. Er befindet sich in den Händen von Wärtern, die keine Gnade mit ihm kennen.”
“Dann liegt es an uns, ihn zu befreien.”
Verwundert sah sie ihn an. Innis war dem Knabenalter noch nicht entwachsen. Sie hatte kein Recht, seine Worte auch nur eine Sekunde lang ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Doch gleichzeitig war sein Vorschlag das Einzige, was ihnen noch zu tun blieb. Sie musste ihm wohl oder übel zustimmen.
Sie wischte sich die Tränen ab und nickte. “Ja, Innis. Es liegt nun an uns, und wir dürfen ihn jetzt nicht im Stich lassen.” Sie griff nach seiner Hand und zog Innis hastig mit sich fort.
“Habt Ihr einen genauen Plan, Mylady?”
“Nein, Innis. Aber ich bin sicher, dass sich schon irgendetwas ergeben wird, wenn wir erst in Fleet sind.”
“Warum habt Ihr diese Pasteten bei dem Händler gekauft, Mylady?” wollte Innis wissen.
AnnaClaire schlug die Gebäckstücke in ein sauberes Leinentuch ein. “Damit will ich den Gefängniswärter ablenken. Ich glaube nämlich kaum, dass ihn meine Koketterie sonderlich beeindrucken würde.”
“Was ist Koketterie?”
“Das erzähle ich dir später einmal.” AnnaClaires ohnehin verzagtes Lächeln verschwand vollends, als sie und Innis vor dem düsteren Gemäuer standen. Was war bloß in sie gefahren? Wie sollte sie es schaffen, noch einmal da hineinzugehen?
Als sie drinnen waren, betete AnnaClaire unablässig, sie möge sich an all die Biegungen und verschiedenen Abzweigungen erinnern, die sie einschlagen musste, um zu Rorys Zelle zu gelangen.
Sie und Innis stiegen vorsichtig die glitschigen Stufen hinunter, und plötzlich umklammerte der Junge ihren Arm. “Ich habe Angst”, flüsterte er.
“Ich auch”, gestand AnnaClaire. “Aber denk dran Innis: Wenn wir jetzt versagen, hat Rory sein Leben verwirkt. Erinnerst du dich an unseren Plan? Glaubst du, du kannst tun, worum ich dich gebeten habe?”
“Ja, Mylady. Ich werde es … versuchen.” Innis bezwang seine Furcht und blieb dicht an AnnaClaires Seite.
“Hey, Ihr da, wohin wollt Ihr?” erklang plötzlich eine tiefe Stimme.
AnnaClaire und Innis blieben wie erstarrt stehen und blickten wortlos auf den kräftigen Wärter, der sie in plötzlichem Wiedererkennen anlachte.
“Ihr seid doch die Lady mit dem Gold”, bemerkte er.
“Ja, und heute habe ich noch mehr für Euch”, versicherte AnnaClaire schnell. “Aber zunächst müssen wir zu demselben Gefangenen wie beim letzten Mal.”
Er betrachtete den Jungen, dann die Frau. Das würde einfach werden. Zumal der Mann nicht dabei war, der sie vor einigen Tagen begleitet hatte. “Recht habt Ihr. Was ist in dem Paket?”
“Lebensmittel. Für den Gefangenen.”
“Gut, davon will ich auch kosten.” Er streckte eine Hand aus. “Wenn Ihr wollt, dass ich Euch helfe, müsst ihr schon tun, was ich sage.”
“Ja, selbstverständlich.” AnnaClaire packte die kleinen Gebäckstücke aus und sah zu, wie sich der Mann eins nach dem anderen in den Mund stopfte.
Innis tippte ihn
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