Die Geliebte des Rebellen
ihn die Bilder von ihr. Jeden Tag seines restlichen Lebens würde er sie schmerzlich vermissen.
Er ging durch die Halle zu dem Raum, den AnnaClaire während ihrer Zeit auf Ballinarin bewohnt hatte. Bis heute hatte er es noch nicht über sich gebracht, ihn zu betreten. Doch jetzt öffnete er die Tür.
Beim Anblick des Bettes, in dem sie gelegen, gelacht und sich geliebt hatten, fühlte er einen scharfen Schmerz in der Brust. Ohne darüber nachzudenken, was er tat, nahm Rory die Laken auf und hielt sie sich vor das Gesicht. In dem Stoff hing noch immer eine Spur von dem Duft von AnnaClaire, und Rory atmete tief ein.
Wurde er jetzt allmählich verrückt? Was tat er da nur? Er verachtete sich für seine Schwäche und wandte sich hastig von dem Bett ab. Warum quälte er sich selbst so? Er könnte sie beinahe riechen und bildete sich ein, sogar ihre Schritte hören und AnnaClaire sehen zu können.
Rory vernahm einen Laut und sah zur Tür. Er rieb sich die Augen, denn er war sicher, dass seine Fantasie ihm nunmehr einen gefährlichen Streich spielte. Doch die Vision, die er sah, wurde immer klarer. Jetzt lächelte sie sogar.
“Ich habe überall nach einer menschlichen Seele gesucht”, sagte AnnaClaire. “Wo sind sie denn alle?”
Rory blieb wie angewurzelt stehen, als könnte sich seine Vision durch eine unvorsichtige Bewegung in Luft auflösen. Fassungslos sah er AnnaClaire an, die einen weiten Reiseumhang aus Samt trug. Ihre Wangen waren gerötet, als ob sie sich zu lange schutzlos der Sonne ausgesetzt hatte.
Nur langsam fand Rory sein inneres Gleichgewicht wieder. “Bist du es tatsächlich? Oder träume ich nur?”
“Nein, Rory. Du träumst nicht. Ich bin es wirklich.”
“Aber wie kann das sein? Ich habe doch selber gehört, wie die Königin dir und Dunstan den Befehl gab zu heiraten.”
“Ja, das stimmt. Und es war nicht einfach, sie dazu zu bringen, ihre Meinung zu ändern.”
Jetzt endlich bewegte sich Rory einen Schritt auf AnnaClaire zu. “Hast du etwa wieder gestohlen, meine bezaubernde Lady?”
Sie schüttelte den Kopf. “Wegen dieses Diebstahls habe ich mich sehr geschämt und den Verkäufer großzügig entschädigt. Ich brachte ihm Pony und Karren zurück, dazu einen Beutel Goldtaler. Er meinte, ich könne seinen Karren stehlen, wann immer mir der Sinn danach stünde.”
Rory unterdrückte ein Lächeln. “Wenn du nicht gestohlen hast, was hast du dann getan?”
“Ich habe gebettelt und gefleht und bittere Tränen vergossen. Und als all das die Königin nicht erweichen konnte, habe ich zu einer Notlüge gegriffen. Ich wusste mir einfach keinen anderen Ausweg mehr.”
“Eine Lüge?” wiederholte Rory. Er stand jetzt dicht vor AnnaClaire, wagte aber noch nicht, sie zu berühren. “War es eine schlimme Lüge?”
Sie nickte. “Ziemlich frech, ja. Ich habe behauptet, ich würde dein Kind unter dem Herzen tragen.”
“Mein Kind!” Rory schwirrte der Kopf, und er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. In AnnaClaires Lüge lag eine süße, verlockende Verheißung.
“Wie du ja weißt, traut mir die Königin überhaupt nicht. Sie hätte also durchaus darauf bestehen können, dass einer ihrer Ärzte mich untersuchte. Ich glaube aber, dass sie die Lust und das Interesse an der ganzen Angelegenheit verloren hatte. Also gab sie nach unter der Bedingung, dass auch Dunstan damit einverstanden wäre, mich nicht zu ehelichen.”
“Und was hast du getan, um seine Zustimmung zu bekommen?”
“Ach, er war viel leichter zu überzeugen als die Königin. Er liebt mich nicht, sondern wollte mich lediglich dazu benutzen, dir wehzutun. Doch was er mehr als alles andere haben wollte, war Clay Court. Also habe ich es ihm überlassen.”
Rory glaubte, nicht recht gehört zu haben. “Du hast Dunstan den Besitz deiner Mutter überlassen?”
“Ja.”
“Aber Clay Court ist seit Generationen schon im Besitz deiner Familie. Und du hängst doch so sehr daran.”
“Ja, das ist richtig. Aber meine Liebe für Ballinarin und deine Familie und Innis ist ungleich größer. Ich habe mir vorgestellt, dass wir für den Jungen die Eltern werden können, nach denen er sich so sehr sehnt.”
“So, so, du liebst also mein Zuhause, meine Familie, Innis. Und das ist alles?”
“Nein. Es ist zwar wahr, dass ich sie alle von ganzem Herzen liebe. Aber nicht annähernd so sehr wie dich.”
Jetzt endlich berührte er sie. Er strich ihr über das Haar, legte eine Hand an ihre Wange. “Sag das noch einmal”,
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