Die Geliebte des Rebellen
retten.”
“Ich weiß aber auch, dass du ihn genauso sehr liebst wie sein Vater und ich.” Moira war, ohne es zu merken, zu der persönlichen Anrede übergegangen, und AnnaClaire nahm es erfreut zur Kenntnis. “Wirst du dafür sorgen, dass mein Sohn zu mir nach Hause zurückkehrt?”, fragte Moira mit bebender Stimme.
AnnaClaire wurde plötzlich die Kehle zu eng, um noch etwas erwidern zu können. Zutiefst bewegt nickte sie.
“Und, AnnaClaire”, fügte Moira noch hinzu, während sie einen Schritt zurücktrat, “ich möchte, dass auch du zu uns zurückkehrst.” Sie zupfte Gavin am Ärmel. “Sag es ihr.”
Rorys Vater räusperte sich. “Engländerin …” Er schluckte, räusperte sich wieder und setzte erneut an. “Also, AnnaClaire Thompson, unser Heim soll auch deines sein. Falls es dir gelingt …” Er verbesserte sich: “Wenn es dir gelungen ist, unseren Sohn zu befreien, beten wir darum, dass du mit ihm zusammen zurück nach Ballinarin kommst.”
“Danke, vielen Dank.” AnnaClaire hielt mühsam die Tränen zurück und schluckte heftig.
“Komm, AnnaClaire”, sagte Conor. “Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Lass uns jetzt aufbrechen.”
“Gute Reise, Gott befohlen”, erklangen die Abschiedsrufe aus vielen Kehlen, als Conor und AnnaClaire zum Hof hinausritten. Sie schaute sich noch mehrmals um in der Hoffnung, Innis an einem der Fenster winken zu sehen. Doch sie konnte ihn nirgends entdecken.
Das war AnnaClaires letzter Blick auf Ballinarin. Die Sonne war soeben aufgegangen und vertrieb den Morgendunst über den Zinnen und Türmen. Sie spürte einen schmerzhaften Stich tief im Innern. Dieses raue, stellenweise unwirtliche Land hatte wie der Mann, der es so sehr liebte, auch ihr Herz gewonnen.
AnnaClaire beugte sich über die Reling und sah, wie das Land immer kleiner zu werden schien. Wiesen und Felder wechselten sich ab mit Hügeln, auf denen Felsblöcke aus uralter Zeit Wache zu halten schienen. In den Buchten schaukelten einfache Boote. Fischer warfen ihre Netze aus wie schon Generationen vor ihnen.
Conor trat neben sie. “Nun, bereust du deine Entscheidung, Irland zu verlassen?”
“Nein, ich hätte nicht bleiben können. Nicht mit dem Wissen, dass Rory im Kerker schmachtet.” AnnaClaire zog ihren Mantel enger um sich. “Ich kann den Gedanken kaum ertragen, dass er in einem schmutzigen, dunklen Verlies liegt, wo sich niemand um ihn kümmert.”
“Wir werden ihn befreien.” Conor schaute auf sie herunter und sah in ihren Augen den Ausdruck von Schmerz und Angst, Gefühle, die sie vergeblich zu unterdrücken versuchte.
AnnaClaire schluckte, atmete mehrmals tief durch und hob dann entschlossen das Kinn. “Ja, das werden wir. Oder bei dem Versuch, ihn zu retten, sterben.”
Sanft berührte Conor ihre Wange. “Ich kann verstehen, warum mein Bruder dich liebt.”
Sie wandte sich ab. “Nein, das ist keine Liebe, Conor. Er fühlt Dankbarkeit mir gegenüber dafür, dass ich ihn versteckt und gerettet habe. Aber mit Liebe hat das nichts zu tun.”
“Wenn du das tatsächlich glaubst, AnnaClaire, so irrst du ganz gewaltig”, gab Conor zurück. “Ich kenne Rory so gut wie mich selbst. Er liebt dich, daran gibt es keinen Zweifel.” Jetzt hob Conor ihr Kinn leicht an und sah ihr in die Augen. “Diese Liebe sehe ich auch bei dir. Und ich bin sehr froh darüber.”
“Wirklich?”
“Ja, denn ich fände es grausam für Rory, wenn er sein Herz an eine Frau verloren hätte, die seine Liebe nicht erwidert. Es ist wie ein Wunder, dass er sich von seinem Verlust erholt hat. Und dieses Wunder hast du vollbracht, AnnaClaire.”
Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und gab Conor einen Kuss auf die Wange. “Ich danke dir, Conor. Ich möchte jetzt in meine Kabine gehen. Dieser Wind … brennt mir in den Augen.”
Sowie AnnaClaire in ihrer Kabine war und die Tür hinter sich fest zugezogen hatte, erfasste sie tiefe Mutlosigkeit. Von der Zuversicht, die sie der Familie O’Neil gegenüber zur Schau getragen hatte, war nichts mehr übrig. Sie hatte nämlich nicht die geringste Ahnung, wie ihr Vater auf ihr plötzliches Erscheinen bei Hofe reagieren würde.
Und was er überdies dazu sagen würde, dass sie sich mit einem irischen Gesetzlosen eingelassen hatte, mochte sich AnnaClaire nicht ausmalen.
Erschöpft ließ sie sich auf den Rand ihrer Koje sinken. “Nun führt kein Weg mehr zurück”, sagte sie laut vor sich hin. “Dein Bestimmungsort heißt jetzt England.”
“Ist das
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