Die Geliebte des Rebellen
schickte sich an, die Bibliothek zu verlassen, und AnnaClaire folgte ihm zur Tür. “Ich kann innerhalb einer Stunde reisefertig sein”, erklärte sie.
“Was glaubt Ihr denn, wohin Ihr reisen werdet?” erklang Gavins Stimme.
“Nun, nach England, selbstverständlich. Mit Conor.”
“Nein, AnnaClaire, das kommt überhaupt nicht infrage. Ihr werdet schön hier auf Ballinarin bleiben und damit Rorys Wunsch befolgen. Er wollte es so, weil er Euch hier bei uns in Sicherheit weiß. Und wir werden uns ganz gewiss nicht seinen Wünschen widersetzen!”
“Es mag schon sein, dass er es so haben will. Aber dieses Vorgehen ist gewiss nicht das, was er braucht”, entgegnete AnnaClaire fest.
“Ich vermute, Ihr behauptet zu wissen, was unser Sohn benötigt, oder?” Gavins Tonfall war äußerst herausfordernd, doch AnnaClaire blieb ruhig. Sie wollte sich keinesfalls zu einer unbedachten Antwort hinreißen lassen.
“Ja, er braucht jemand, der sich am Hof von Elizabeth zurechtfindet und sich dort zu bewegen weiß. Jemand, der mit den Leuten vertraut ist, mit denen sich die Königin umgibt. Ich kann Conor mit den Herren bekannt machen, auf deren Rat und Meinung sie hört. Und dann darf ich noch anmerken, dass einer dieser Gentlemen schließlich mein Vater ist. Ich habe vor, ihn um Hilfe zu bitten.”
Unbeherrscht hieb Gavin mit einer Faust auf den Kaminsims. “Euer Vater ist ein verfluchter Engländer. Ihr glaubt doch wohl selber nicht, dass es ihn kümmert, was mit einem irischen Gesetzlosen passiert!”
“Oh doch, es wird ihn sehr wohl interessieren”, widersprach AnnaClaire. “Er wird sich mit dieser Angelegenheit befassen, weil ich ihn darum bitte. Denn was immer Ihr von ihm halten mögt, Gavin O’Neil, so ist er doch auch ein Vater. Und er liebt sein einziges Kind.” Ihre Stimme bebte.
Gavin hatte schon eine Erwiderung auf der Zunge, da berührte Moira ihn sacht am Arm. “Sie hat recht, Gavin. Rory braucht jegliche Hilfe, die wir ihm nur geben können. Und wenn AnnaClaire imstande ist zu helfen, so müssen wir ihr Angebot annehmen.”
Gavin fühlte sich von seiner Frau verraten und bedachte sie mit einem zornigen Blick. Doch sein Ärger schwand, als er den Ausdruck von Schmerz und Angst in ihren Augen erkannte. Er umschloss ihre Hand mit seiner und nickte dann widerwillig. “So sei es denn, AnnaClaire”, stimmte er brummig zu, “Ihr werdet mit Conor zusammen nach England reisen.”
Zur Überraschung aller Anwesenden sagte Innis in das nachfolgende Schweigen hinein: “Ich bitte um Erlaubnis, die beiden zu begleiten.”
“Nach England?” Briana stemmte die Hände in die Hüften. “Du würdest Ballinarin freiwillig verlassen?”
“Rory braucht mich”, entgegnete der Junge. “Und noch wichtiger: Lady AnnaClaire braucht mich.”
“Die Engländerin?” Ungläubig schaute Briana ihn an. “Würdest du mir verraten, wieso sie jemand wie dich brauchen könnte?”
“Wenn ich sie heute Abend nicht begleitet hätte, wäre sie Hals über Kopf in den Schankraum gestürmt und hätte sich ins Getümmel gestürzt.”
“Ihr seid wohl eine richtige Raubkatze, wie?” Mit neu erwachtem Respekt sah Gavin sie an.
“Das kann man wohl sagen”, bestätigte Innis. “Als sie sah, dass Rory aus mehreren Wunden blutete, hätte sie liebend gern jedem einzelnen Soldaten die Augen ausgekratzt.” Er wich AnnaClaires Blick aus, als er entschlossen hinzufügte: “Ich muss mit ihr gehen. Sonst würde sie gewiss unüberlegt handeln und sich damit in Gefahr begeben.”
Moira hielt nur mit großer Mühe die Tränen zurück. “Nein, Gavin, du darfst nicht zulassen, dass auch Innis fortgeht”, flehte sie. “Ich könnte es nicht ertragen, fast alle meine männlichen Angehörigen an einem Tag zu verlieren.”
Gavin ließ die Schultern hängen. Ihm war dieser Gedanke auch schon gekommen. Das Zusammensein der ganzen Familie war so schrecklich kurz gewesen. Und nun würde sie erneut auseinander gerissen werden. Schlimmer noch. Die Söhne würden sich beide im Land des Feindes aufhalten. Also wollte er wenigstens dafür sorgen, dass Innis zu Hause blieb.
“Du bleibst auf Ballinarin, Innis”, bestimmte er.
“Das ist ungerecht”, protestierte der Junge. “Es ist genauso mein Kampf wie Eurer. Ich habe meine ganze Familie verloren. Ich will nicht Rory und … und die … Engländerin ebenfalls verlieren.”
Gavin erhob die Stimme, um seiner Anordnung mehr Gewicht zu verleihen, aber auch, um seine plötzliche Rührung
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