Die Germania
Uebermuth oder der Reiz der Beute diese zusammengeführt, oder vielleicht auch ein uns freundlicher Wille der Götter; haben diese ja sogar das Schauspiel der Vernichtungsschlacht uns nicht mißgönnt. Ueber 60,000 sind gefallen, nicht durch des Römers Schwert und Speer, sondern, was herrlicher klingt, ihm zur Wonne und zur Augenweide. O möge doch diesen Völkern bleiben, möge dauernd ihnen bleiben, wenn nicht die Freundschaft für uns, so doch der Haß unter sich, weil ja doch einmal jetzt, wo des Reiches Verhängniß hereindrängt, das Schicksal uns nichts höheres mehr zu geben vermag als die Zwietracht unserer Feinde!
Caput XXXIII.
Iuxta Tencteros Bructeri olim occurrebant; nunc Chamavos et Angrivarios immigrasse narratur, pulsis Bructeris ac penitus excisis vicinarum consensu nationum, seu superbiae odio seu praedae dulcedine seu favore quodam erga nos deorum; nam ne spectaculo quidem praelii invidere. Super sexaginta milia non armis telisque Romanis, sed, quod magnificentius est, oblectationi oculisque ceciderunt. Maneat, quaeso, duretque gentibus, si non amor nostri, at certe odium sui, quando inurgentibus imperii fatis nihil iam praestare fortuna maius potest quam hostium discordiam.
Caput XXXIV
Friesen u. a.
Im Rücken der Angrivarier und Chamaver schließen sich die Dulgibiner und Chasuaren an, sowie andere minder häufig genannte Völker. Vorn setzen die Friesen die Reihe fort, nach Maßgabe ihrer Macht als Groß- und Kleinfriesen unterschieden. Für beide Stämme bildet der Rheinlauf die Grenze bis zum Ozean; überdies umfaßt ihr Gebiet gewaltige Seen, die auch von römischen Flotten schon befahren worden sind. Haben wir uns dort ja mit dem Ozean selbst versucht. Auch geht eine Sage, daß in jener Gegend noch Herkulessäulen stehen; sei es daß Herkules wirklich dorthin gekommen, oder daß ein gemeinsames Gefühl uns alles, was irgendwo großes erscheint, auf jenen Heldennamen zurückführen läßt. An unternehmendem Muthe hat es dem Drusus Germaniens nicht gefehlt; der Ozean selbst hat auf die vereinten Fragen nach seinen und nach des Herkules Räthseln die Antwort geweigert. Später hat niemand mehr einen Versuch gemacht; in göttlichen Dingen schien der Glaube frommer und ehrfurchtsvoller als das Wissen.
Caput XXXIV.
Angrivarios et Chamavos a tergo Dulgibini et Chasuarii cludunt aliaeque gentes haud perinde memoratae; a fronte Frisii excipiunt. Maioribus minoribusque Frisiis vocabulum est ex modo virium. Utraeque nationes usque ad Oceanum Rheno praetexuntur, ambiuntque immensos insuper lacus et Romanis classibus navigatos; ipsum quin etiam Oceanum illa tentavimus; et superesse adhuc Herculis columnas fama volgavit, sive adiit Hercules, seu quicquid ubique magnificum est in claritatem eius referre consensimus. Nec defuit audentia Druso Germanico, sed obstitit Oceanus in se simul atque in Herculem inquiri; mox nemo tentavit, sanctiusque ac reverentius visum de actis deorum credere quam scire.
Caput XXXV
Chauken.
Bis hierher kennen wir Germanien in westlicher Ausdehnung. Im gewaltigem Bogen wölbt es sich nun nach Norden hinauf. Gleich im Anfang erscheint hier das Volk der Chauken . Obgleich es an die Friesen sich anschließt und noch einen Theil der Meeresküste innehat, so zieht es doch den Grenzen aller bisher genannten Stämme sich entlang, um endlich sogar in das Gebiet der Chatten sich einzubuchten. Und diese ganze gewaltige Ländermasse nennt der Chauke nicht nur sein, sondern er füllt sie auch aus; ein Volk, das in hohem Ansehen unter den Germanen steht und es vorzieht, seine Macht auf Gerechtigkeit zu stützen. Frei von begehrlicher Leidenschaft, von vermessener Herrschgier lebt es in stiller Abgeschlossenheit dahin, kein fremdes Volk zum Kriege reizend, keines mit Raub und Plünderung bedrängend. Und das eben ist das höchste Zeugniß für des Volkes Tüchtigkeit und Kraft, daß es seine überlegene Stellung nicht der Gewaltthat verdankt. Aber rasch ist jedem die Waffe zur Hand, und wenn die Stunde ruft, so steht das Heer bereit, Roß und Mann in gewaltiger Zahl; und auch im Frieden lebt ihr großer Name fort.
Caput XXXV.
Hactenus in occidentem Germaniam novimus. In septentrionem ingenti flexu redit; ac primo statim Chaucorum gens, quanquam incipiat a Frisiis ac partem litoris occupet, omnium quas exposui gentium lateribus obtenditur, donec in Chattos usque sinuetur. Tam immensum terrarum spatium non tenent tantum Chauci sed et implent, populus inter Germanos nobilissimus, quique
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