Die kalte Koenigin
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Als der Krieg keine hundert Meilen entfernt von der verborgenen Stadt ausbrach, wusste ich, dass eine Jägerin zu jenem heiligen Ort namens Alkemara kommen werde. Städte in Ost und West standen in Flammen. Große Rauchwolken stiegen auch aus fernen Ländern auf. Die Welt der Sterblichen hatte schließlich damit begonnen, die begrabenen Reiche zu finden, jene Überreste aus den Zeitaltem der Schlange und des Schleiers. Kriege des vergangenen Jahrhunderts hatten die Grabstätten von verlorenen Königen, von Königinnen und Priestem der drei Gesichter der Göttin bloßgelegt, die Gebeine jener Jahre meiner Jugend und die Asche der tausend oder noch mehr Jahre, die vergangen waren, bevor ich auch nur geboren wurde. Bomben, Satelliten und all die Waffen der Kriegsführung hatten die heiligsten Orte der Priesterkaste der Kamr zutage gefördert.
Ich wurde während der Zeit der Kreuzzüge geboren und bin nun Zeuge der Wunder und Schrecken des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Alkemara fand ich während jener Kriege meiner Jugend. Nun werden es andere finden: während der gegenwärtigen Kriege. Ich kann sehen, wie uns wieder einmal die Vorzeichen für ein Neues Finsteres Mittelalter überschatten, und ich sehe außerdem, wie sich die mittelalterliche Welt erhebt, als hätte sie inzwischen nur geschlafen. Ich spüre ein Ziehen an jenem Schleier, welcher diese Welt vom Jenseits trennt.
Auch geschah es bereits zuvor.
Der Krieg und seine Zerstörung treiben jene an, die nach mir suchen. Obwohl ich seit Jahrhunderten in der sterblichen Welt einherging – und mein Wissen erst auf Reisen und dann auch noch durch einen sehr späten Unterricht erwarb -, sind meine Grabstätten zahlreich und liegen unter großen Städten und gefallenen Königreichen. Diejenigen, welche von meinem Stamm übrig blieben, schlafen an den Orten, die am tiefsten gelegen sind. Ich aber kehrte zu einem der uralten heiligen Heimatorte der Vampyre zurück, als ich fühlte, dass sich die Welt wieder verdüsterte. Zwar war ich mir sicher, dass uns kein Sterblicher finden würde, so wie es in Prag oder Berlin geschehen war... aber stets legen Bomben, Feuer und Zerstörung unsere Verstecke frei. Wir ziehen also weiter, bewohnen Höhlen, Katakomben und jene grabähnlichen Reiche, die erst noch gefunden werden müssen, und bleiben so lange an den Rändern des menschlichen Bewusstseins, bis uns die Schlange ruft. Bis jener Geist der Schlange jemanden zu uns führt.
Als die Bomben explodierten, und zwar in jenen Städten, die meiner Grabstätte fern waren, donnerten Armeen und Spione in Düsenflugzeugen über das öde Land. Die verschiedenen Piloten folgten seltsamen Wegen, die die Wüste durchzogen, als hätte es dort einst einen Handelsweg gegeben. Jene Wege, die selbst während meiner Existenz verborgen waren, besaßen eine schlangenförmige Form. An den Gebirgsklippen entlang, unter den Spuren jahrhundertelanger Erosionen, dort gab es Spuren von zwei großen Monumenten, in die Gesichter gekerbt waren.
Einige Sterbliche entschlossen sich aufgrund ihres religiösen Fanatismus, diese riesigen Monumente zu zerstören, da sie heidnische Götter zu repräsentieren schienen.
Wann auch immer fanatische Menschen überliefertes Wissen, Kunstwerke aus alter Zeit oder eine Spur von Geschichte, die sie nicht betrifft, finden, trachten sie danach, diese Dinge auszulöschen.
Ein internationaler Ruf wurde laut, diese neuerdings gefundenen Schätze zu retten. Die Monumente stellten einen Gott und eine Göttin dar, beide namenlos, beide unbekannt und in keinem Geschichts- oder Mythologiebuch verzeichnet. Die ersten Archäologen und Historiker, die zu der Fundstätte kamen, schrieben die künstlerische Leistung hurrianischen und anderen verlorenen Völkern zu, die diese verlassenen Wüstenpfade vor Tausenden von Jahren bereist hatten.
Ich selbst hatte die Monumente noch gar nicht gesehen, als ich zum ersten Mal an diesen Ort gekommen war, da der Umwälzungen wegen damals noch so vieles vergraben lag. Dennoch kannte ich sie, da sie für mein eigenes Volk die Überbringer des ewigen Lebens repräsentierten. Sie stammen von der Großen Schlange und der Göttin mit den drei Gesichtern, die Medhya, Datbathani und Lemesharra genannt wird. Das Gesicht der Medhya war in einer Grimasse erstarrt, da es sich bei ihr um die dunkle Mutter handelt, die in der Nacht den Schrecken bringt; Datbathani trug eine goldene Maske der Königin der Schlangen; und die großartige Lemesharra, die
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