Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Anna Waser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Waser
Vom Netzwerk:
Frauenzimmer hinkommt, da hört alle ernsthafte Arbeit von selber auf; niemalen wird eins dieser flüchtigen, schnellfertigen Geschöpfe, die zu keinem anhaltenden Geschäfte taugen, den Ernst zur hohen Kunst finden.“ Aber Giulio lachte laut auf:
    „Oh, ihr heiligen Bären von Bern, wann kommt die Zeit, wo ihr euer Brummen zum Wohlklang menschlicher Stimme erhebt und wo ihr eure Augen von den eigenen schwertrottenden Tatzen weg und zur Sonne wendet!“
    Herr Werner zog die Brauen hoch:
    „Ich hoffe, Lukas, daß du deine Meinung ändern wirst. Ich habe auch erstlich dem Ansinnen des hochmögenden Herrn alt Amtmann Waser widerstanden, als er mir seine Tochter hierher in die Lehre geben wollte, ungeachtet der rühmenden Worte, die ihr ein trefflicher Künstler, mein guter Freund Felix Meyer in Zürich, gewidmet, eben in Erwägung jener Eigenschaften, die das andere Geschlecht nicht zur Ernsthaftigkeit der Kunst geeignet zu machen scheinen. Aber nun mir das Mägdlein vor etwelcher Zeit dies Gesellenstück geliefert, konnt’ ich nicht länger widerstehen. Und in Anbetracht ihrer vorzüglichen Eigenschaften und großen Fleißes will ich nicht dagegen sein, daß dies Zürcherkind in die Reihe der trefflichen und großen Künstlerinnen rücke, von denen die Welt unterschiedene gekannt hat. Vielmehr will ich mein Möglichstes tun, auf daß man einstmalen die Anna Waser neben einer Maria Robusti, Sophonisse Angusciola und Anna Rosa auf dem Parnasso erblicken soll — und neben einer Sibylla Merian.“
    Den letzten Namen sprach er etwas leise, wie zögernd, was bei den Schülern ein schnelles Augenzwinkern hervorrief; denn der Umstand, daß des Meisters Tochter nicht den traulichen Namen der Frau Werner trug, wohl aber den fremden der berühmten Malerin, mit der zusammen Herr Werner in jungen Jahren zu Frankfurt in des alten Merian Schule gearbeitet, hatte zu allerlei Vermutung und unterhaltsamen Flüstereien Anlaß gegeben; aber Herr Werner tat, als ob er nichts bemerkte von dem Gemunkel. Auch jetzt fuhr er unbeirrt fort, wenn auch in etwas strengerem Ton:
    „So hoff’ ich denn, meine Herren Buben, daß ihr mich in meinem Vorhaben unterstützen und die Jungfrau weder durch Unfreundlichkeit, schlecht angebrachte Neckerei, noch gar Eifersucht kränket. Ihr sollt in ihr nichts sehen denn eine Miteifernde und Kameradin, der um so mehr Schonung und Freundlichkeit vonnöten, als sie in ausnehmender Stellung und mit ihren kaum vierzehn Jahren den meisten unter euch an Alter nachsteht. Ich erwarte, daß ihr auch in diesen Stücken die gute Reputation meiner Akademie mehren werdet, sodaß ein Vertrauen, solches mir der Herr Amtmann Waser durch Überlassen seiner Tochter beweist, auch gerechtfertiget ist.“
    Nach dieser umständlichen Rede, die aus dem lebhaften Mund des Meisters etwas ungewöhnlich klang und deshalb ihren Eindruck nicht verfehlte, trug Herr Werner das Bild in die Kammer und kehrte dann wieder unter die verdutzte, völlig aufgelöste Schar zurück. Da fiel sein Blick auf Giulio, der mit erfreutem Gesicht die Neuigkeit besprach. Herr Werner schritt auf den Italiener zu, faßte ihn unterm Arm und ging mit ihm ein weniges von den andern weg:
    „Euch, Giulio, habe ich noch ganz besonders ans Herz zu legen: Laßt mir der Jungfrau gegenüber die leichten welschen Manieren, deren Ihr gern pflegt. Die Waserin ist ein ernstes und wohldenkendes Mädchen, das wohl Ehrerbietung verdient, das sich aber durch leichtfertige Höfelei und Liebesscharwenzen gekränkt fühlen würde.“
    Der Jüngling warf den Kopf in den Nacken: „Ihr wißt, Signor Maestro, ich stamme aus der Stadt der Novella d’ Andreae 6 und Properzia de’ Rossi 7 !“
    „Aber leider ist es nicht das edle Bologna, das mir Euch schickt,“ erwiderte Werner mit bedeutsamem Blick, „sondern das üppige und leichtfertige Florenz!“
    Die Worte brachten eine Glut in des Jünglings Gesicht, und seine Augen verdunkelten sich; da klopfte der Meister ihm wohlwollend auf die Schulter: „Es ist nicht bös gemeint, Giulio, ich weiß, daß Ihr Euch als Kavalier betragen werdet auch gegen diese Jungfrau.“ Dann wandte er sich wiederum mit muntern Worten der jungen Schar zu: „Und nun, meine Herren Kunstbegierigen, mäßigt euern Eifer oder vielmehr, lenkt ihn auf ein ander Feld und sorget dafür, daß der Herr Amtmann und seine Tochter heute nachmittag so diese Stube als auch euch selbst angenehm und in wohlerfreuender Ordnung finde; auch sollen die Stadtschüler

Weitere Kostenlose Bücher