Die Geschichte der Liebe (German Edition)
bin ich neidisch auf Alma, weil sie ihn länger gekannt hat als ich und sich an so viel von ihm erinnern kann. Das Komische ist nur, als ich voriges Jahr Band 2 ihres Notizbuchs las, stand darin ICH BIN TRAURIG, WEIL ICH DAD NICHT WIRKLICH KANNTE.
Ich dachte darüber nach, warum sie das geschrieben hatte, als ich plötzlich auf eine sehr seltsame Idee kam. Was, wenn Mom jemand anderen, der Mr. Mereminski oder Mr. Moritz hieß, geliebt hatte und ER Almas Vater war? Und was, wenn er gestorben oder fortgegangen war und Alma ihn darum nicht kannte? Und danach hatte Mom David Singer kennen gelernt und mich bekommen. Und dann starb auch ER, was Mom so traurig machte. Das würde erklären, warum sie ALMA MEREMINSKI und ALMA MORITZ geschrieben hatte, aber nicht ALMA SINGER. Vielleicht versuchte sie ihren wirklichen Dad zu finden!
Ich hörte Mom von ihrem Stuhl aufstehen, deshalb stellte ich mich schlafend, was ich 100-mal vor dem Spiegel geübt habe. Mom kam herein, setzte sich auf meine Bettkante und sagte lange nichts. Aber plötzlich musste ich niesen, also machte ich die Augen auf und nieste, und Mom sagte: Du Ärmster. Dann tat ich was ganz Gewagtes. Mit meiner schläfrigsten Stimme sagte ich: Mom, hast du vor Dad schon mal jemand anders geliebt? Ich war mir fast 100-prozentig sicher, sie würde nein sagen. Aber stattdessen zog sie ein komisches Gesicht und sagte: Ich denke doch, ja! Also sagte ich: Ist er gestorben?, und sie lachte und sagte: Nein! Insgeheim machte mich das ganz verrückt, aber ich wollte nicht zu viel Argwohn erregen, darum tat ich so, als würde ich wieder einschlafen.
Jetzt weiß ich, glaube ich, wen Alma sucht. Und ich weiß auch, wenn ich ein wirklicher lamed wownik bin, kann ich ihr bestimmt helfen.
6. Oktober
Heute habe ich mich zum zweiten Mal hintereinander krank gestellt, damit ich nicht in die Schule musste, aber auch, damit ich nicht zu Dr. Vishnubaka zu gehen brauchte. Als Mom wieder oben war, habe ich den Wecker gestellt und alle zehn Minuten fünf Sekunden am Stück gehustet. Nach einer halben Stunde schlich ich mich aus dem Bett, um in Almas Rucksack nach weiteren Hinweisen zu suchen. Ich sah nichts außer den Sachen, die immer drin sind, wie ein Erste-Hilfe-Set und ihr Schweizer Armeemesser, aber dann nahm ich ihren Pulli heraus, und darin eingewickelt waren ein paar Blätter Papier. Ich brauchte sie nur eine Sekunde lang anzusehen, da wusste ich, dass sie aus dem Buch Die Geschichte der Liebe waren, das Mom gerade übersetzt, weil sie immer unbrauchbare Blätter in den Papierkorb wirft und ich weiß, wie sie aussehen. Ich weiß auch, dass Alma nur sehr wichtige Sachen, die sie im Notfall brauchen würde, in den Rucksack tut, darum wollte ich herausbekommen, warum Die Geschichte der Liebe so wichtig für sie ist.
Dann fiel mir was ein. Mom sagt immer, Dad hat ihr Die Geschichte der Liebe geschenkt. Aber was, wenn sie die ganze Zeit Almas Dad gemeint hat und nicht meinen? Und wenn in dem Buch das Geheimnis steht, wer er war?
Mom kam die Treppe herunter, und ich musste zum Klo rennen und 18 Minuten lang so tun, als hätte ich Verstopfung, damit sie nicht misstrauisch wurde. Als ich herauskam, gab sie mir die Telefonnummer von Mr. Goldstein im Krankenhaus und sagte, wenn ich Lust hätte, sollte ich anrufen. Seine Stimme klang sehr müde, und als ich ihn fragte, wie es ihm geht, sagte er: Nachts sind alle Kühe schwarz. Ich wollte ihm von der guten Sache erzählen, die ich tun würde, aber ich wusste, ich durfte es niemandem sagen, nicht einmal ihm.
Ich ging wieder ins Bett und sprach mit mir selbst, um herauszubekommen, warum der Name von Almas wirklichem Vater geheim bleiben musste. Der einzige Grund, der mir einfiel, war, dass er ein Spion war wie die blonde Dame in Almas Lieblingsfilm, die für das F.B.I. arbeitet und Roger Thornhill ihren wahren Namen nicht verraten darf, obwohl sie in ihn verliebt ist. Vielleicht durfte Almas wirklicher Vater auch nicht verraten, wer er in Wirklichkeit war, nicht einmal Mom. Vielleicht hatte er deswegen zwei Namen! Oder sogar mehr als zwei! Ich war neidisch, weil mein Dad kein Spion war, aber dann war ich nicht mehr neidisch, weil mir einfiel, dass ich vielleicht ein lamed wownik bin und das noch besser ist als Spion.
Mom kam herunter, um nach mir zu sehen. Sie sagte, sie müsste für eine Stunde weg und ob ich allein zurechtkäme. Nachdem ich die Tür zufallen und den Schlüssel sich im Schloss drehen gehört hatte, ging
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