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Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Titel: Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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mir gewiss Einhalt gebieten könnten.
    Dann hielt er mir einen eindringlichen Vortrag, der länger als eine Viertelstunde währte und nochmals mit der Drohung endete, mich zu denunzieren, wenn ich ihm nicht mein Wort gäbe, mehr Besonnenheit und Vernunft walten zu lassen.
    Ich war verzweifelt, mich in einem so ungünstigen Moment verraten zu haben. Da mir aber die Liebe seit zwei oder drei Stunden zu äußerster Gewitztheit verholfen hatte, fiel mir ein, dass ich ihm ja nicht offenbart hatte, dass mein Plan schon am nächsten Morgen zur Ausführung kommen sollte, und ich beschloss, ihn durch eine Finte zu täuschen. «Tiberge», sagte ich, «ich habe bis jetzt geglaubt, dass Sie mein Freund sind, und ich wollte Sie mit dieser Entdeckung auf die Probe stellen. Es stimmt, dass ich liebe, ich habe Sie nicht angelogen, doch was meine Flucht betrifft, so ist das keine Unternehmung, die dem Zufall überlassen bleiben darf. Holen Sie mich morgen früh um neun Uhr ab; ich werde Ihnen, wenn es möglich ist, meine Geliebte vorstellen, und Sie werden urteilen, ob sie es verdient, dass ich diesen Schritt um ihretwillen unternehme.»
    Nach tausenderlei Freundschaftsbeteuerungen ließ er mich allein. Ich verwandte die Nacht darauf, meine Angelegenheiten zu ordnen, und als ich mich bei Tagesanbruch zur Herberge von Mademoiselle Manon begab, wartete sie dort schon auf mich. Sie stand an ihrem Fenster, das auf die Straße hinausging, um mir selbst die Tür zu öffnen, sobald sie mich sah. Ohne das kleinste Geräusch verließen wir das Haus. Als Gepäck hatte sie nur ihre Wäsche, um die ich mich selbst kümmerte. Der Wagen war bereit zur Abfahrt, und bald ließen wir die Stadt hinter uns.
    Ich werde später berichten, was Tiberge unternahm, als er bemerkte, dass ich ihn getäuscht hatte. Sein freundschaftlicher Eifer ließ nicht nach. Sie werden sehen, wie maßlos er darin war und wie viele Tränen ich vergießen müsste, wenn ich bedenke, wie ich ihm das immer gelohnt habe.
    Wir beeilten uns dermaßen, dass wir noch vor Anbruch der Nacht in Saint-Denis anlangten. Ich war neben dem Wagen hergeritten, und so hatten wir eigentlich nur beim Pferdewechsel miteinander sprechen können; doch als wir uns nahe genug bei Paris befanden, das heißt, beinahe in Sicherheit, nahmen wir uns die Zeit, uns zu erfrischen, denn wir hatten seit unserer Abreise aus Amiens nichts gegessen. So leidenschaftlich meine Gefühle auch waren, Manon vermochte mich zu überzeugen, dass sie mir darin nicht nachstand. Wir hielten uns mit unseren Zärtlichkeiten so wenig zurück, dass wir es nicht erwarten konnten, bis wir allein waren. Unsere Kutscher und unsere Wirtsleute betrachteten uns voller Bewunderung, und ich bemerkte, dass sie überrascht waren, zwei Kinder unseres Alters zu sehen, die sich bis zur Raserei zu lieben schienen.
    Unsere geplante Eheschließung geriet in Saint-Denis in Vergessenheit; wir umgingen die Gebote der Kirche, und wir waren Mann und Frau geworden, ohne groß darüber nachzudenken. Gewiss hätte ich bei meinem sanften und beständigen Naturell mein ganzes Leben glücklich sein können, wenn Manon mir treu geblieben wäre. Je näher ich sie kennenlernte, desto mehr neue liebenswerte Eigenschaften entdeckte ich an ihr. Ihr Geist, ihr Herz, ihre Anmut und ihre Schönheit knüpften ein so starkes und zauberisches Band, dass ich mein ganzes Glück daran gegeben hätte, nie mehr davon befreit zu werden. Welch furchtbares Wechselspiel! Was heute meine Verzweiflung ausmacht, hätte meine Glückseligkeit bedeuten können. Ich bin heute der traurigste aller Menschen, und das aufgrund ebenjener Beständigkeit, durch die mir das holdeste aller Geschicke und der vollkommenste Lohn der Liebe hätte zuteilwerden sollen.
    Wir mieteten eine möblierte Wohnung in Paris. Sie lag in der Rue V… und zu meinem Unglück in der Nähe des Hauses von Monsieur de B …, dem berühmten Generalsteuerpächter. Drei Wochen vergingen, während deren ich so erfüllt war von meiner Leidenschaft, dass ich kaum an meine Familie dachte und an das Leid, das meine Abwesenheit meinem Vater bereiten musste. Da mein Verhalten jedoch keineswegs von Ausschweifung bestimmt war und Manon sich gleichfalls großer Mäßigung befleißigte, trug die heitere Ruhe, in der wir lebten, dazu bei, dass ich allmählich wieder an meine Pflichten denken konnte. Ich beschloss, mich mit meinem Vater zu versöhnen, sofern das möglich war. Meine Geliebte war so einnehmend, dass ich keinerlei

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