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Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Titel: Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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Verwandtschaft aufzusuchen beabsichtige, der einige Meilen von jener Stadt entfernt lebt und bei dem mein Bruder, wie er mir schreibt, meine Ankunft erwarten will.

NACHWORT
    Als die Novelle Die Manon Lescaut von Turdej , 1946 von dem russischen Kunsthistoriker Wsewolod Petrow verfasst, aber zu dessen Lebzeiten nie publiziert, sechzig Jahre später in Russland zum ersten Mal erschien, war die Rede von einer literarischen Jahrhundertentdeckung. Auch die deutsche Übersetzung, 2012 veröffentlicht, wurde enthusiastisch begrüßt. Damit nicht genug: Wer in den folgenden Monaten hierzulande in einer Traditionsbuchhandlung nach Manon Lescaut fragte, dem konnte es passieren, dass man ihm umstandslos Petrows Erzählung in die Hand drückte und der Hinweis auf das französische Original aus dem Jahr 1731 mit Überraschung quittiert wurde.
    Aus diesem Kuriosum lässt sich zweierlei folgern. Erstens: Der Roman des Abbé Prévost, im späteren 20. Jahrhundert noch oft und gern als eine der berühmtesten Liebesgeschichten der Weltliteratur apostrophiert und in diversen deutschen Editionen zugänglich, kann mittlerweile selbst in Fachkreisen nicht mehr als bekannt vorausgesetzt werden. Zweitens: Seine Heldin, die reizende, rätselhafte, rücksichtslose Manon, hat als Inspirationsquelle und Projektionsfigur vor allem für Männerfantasien den Sprung in die Gegenwart, wenn auch auf Umwegen, leichtfüßig bewältigt.
    Nun ist jene russische Trouvaille keineswegs eine Adaption oder Variante der Romanhandlung aus dem Rokoko. Die Geschichte des schönheitssüchtigen Offiziers, der sich im Zweiten Weltkrieg in einem Lazarettzug in eine kapriziöse Krankenschwester verliebt, hat mit Prévosts Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut kaum etwas gemein – sieht man von den beiden weiblichen Hauptfiguren ab, deren Verwandtschaft Petrows Icherzähler, ein gebildeter Melancholiker mit einer in Sowjetzeiten hochriskanten Affinität zum 18. Jahrhundert, in seiner Imagination und in der seiner Adressaten mühelos zu konstruieren vermag. Für den russischen Leser, erfahren wir in den Anmerkungen, sei Manon «eine fast heimische Figur»; man denke dabei jedoch weniger an den Roman von Prévost als an das ihr gewidmete, 1909 entstandene Gedicht von Michail Kusmin (dessen Gefühlslage gewisse Klischeevorstellungen über die sogenannte russische Seele bestätigt):
    …Von den ersten Worten in einer Ganoven-
    taverne an
    Blieb sie sich treu, mal bettelarm, mal reich,
    Bis sie kraftlos auf den Sand sank,
    Fern heimatlicher Gräser, und mit einem
    Degen,
    Nicht mit einem Spaten begraben wurde –
    Manon Lescaut!
    «Was ist Manon Lescaut?», fragt die wenig belesene junge Vera, nachdem sie vernommen hat, dass ihr uniformierter Liebhaber sie bei sich und anderen gegenüber so nennt. «Eine Frau, die für die Liebe geschaffen ist», lautet die Antwort einer weiblichen Nebenfigur; außerdem, fügt der Geliebte hinzu, sei Manon «die wundervollste, die rührendste aller Heldinnen». Das ist die volkstümliche Seite des überlieferten Bildes, an dem Petrow weitergemalt hat. Dahinter aber verbirgt sich bei ihm ein ästhetisches Konzept, das der Erzähler an anderer Stelle erläutert: Für ihn gehöre die Figur der Manon zum «Stamm der flammenden Menschen, die außerhalb der Form leben». Im Reich der Kunst zählt er «unvollkommene Genies» wie Shakespeare und Michelangelo dazu und unterscheidet sie von form- und traditionsbewussten wie «Goethe, Mozart, Puschkin». Auch alle Nicht-Genies möchte er in diese beiden Kategorien einteilen, «makellose und flammende». Und noch einmal heißt es, bewundernd und entzückt: «Manon Lescaut zerreißt fortwährend die Form.»
    Hier wird nicht nur mit kühnem Schwung eine erotische Faszination ins Geistige überhöht, sondern zugleich ein Hinweis auf die literarischen Kunstmittel gegeben, mit denen der Abbé Prévost seine Heroine unsterblich gemacht hat – jenseits aller ihr zugeschriebenen Eigenschaften, in denen sich über Jahrhunderte hinweg die geheimen Sehnsüchte männlicher Leser spiegelten.
    Dass er damit (und nur damit) auch seine eigene Unsterblichkeit besiegelte, ist immer wieder mit Staunen konstatiert worden. Antoine-François Prévost d’Exiles, wie er sich in selbstironischer Anspielung auf seine verschiedenen Exilstationen nannte, am 1. April 1697 als Sohn wohlhabender Bürger in Hesdin im Artois geboren und 1763 in Courteuil gestorben (genauer: unter einem Baum auf der

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