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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Zeichnung. O nein, denkt Toby. Es klappt nicht. Sie denken, es geht ums Fressen.
    Aber dann heben die Schweine ihre Rüssel und gesellen sich zu den anderen. Leises Grunzen, unruhiges Zucken mit den Schwänzen. Sind sie unentschlossen?
    Fünf der mittelgroßen Schweine entfernen sich von der Gruppe und galoppieren los, zwei links von der Straße, drei rechts. Sie verschwinden im Gestrüpp.
    »Sieht aus, als hätte sie’s kapiert«, sagt Nashorn. Zeb grinst.
    »Gut«, sagt er zu Toby. »Ich wusste, dass du Potenzial hast.«
    »Sie laufen zum Ei«, sagt Blackbeard. »Sie sagen, sie werden einen Bogen um die Männer machen. Sie werden vorsichtig sein wegen der Stöcke, die blutende Löcher schießen.«
    »Hoffentlich schaffen sie’s«, sagt Zeb. »Wir sollten los.«
    »Es ist nicht weit«, sagt Jimmy. »Na ja, zumindest können sie uns nicht von den Fenstern aus abknallen, es gibt nämlich keine.« Er stößt ein schwaches Lachen aus.
    »Zeb?«, sagt Toby, während sie losgehen. »Der dritte Mann. Ich bin mir nicht sicher. Aber ich glaube, es ist Adam Eins.«
    »Ja, ich weiß«, sagt Zeb. »Das denk ich schon ne Weile.«
    »Was können wir tun?«
    »Sie werden ihn eintauschen wollen«, sagt Zeb.
    »Wofür?«
    »Spraygewehre, wenn die Schweine es wirklich schaffen, sie auszusperren. Andere Sachen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel dich«, sagt Zeb. »Würd ich tun, wenn ich an ihrer Stelle wäre.«
    Stimmt, denkt Toby. Sie werden auf Rache aus sein.
    Vor ihnen liegt das Paradies-Gebäude. Alles ist ruhig. Die Tür zur Luftschleuse steht offen. Drei Jungschweine trotten hinein, tauchen wieder auf. »Die Männer sind da drin«, sagt Blackbeard. »Aber tief im Innern. Nicht an der Tür.«
    »Ich muss zuerst gehen«, sagt Jimmy. »Nur ganz kurz.« Toby bleibt ihm auf den Fersen.
    Auf dem Boden der Luftschleuse liegen zwei zerstörte Skelette. Die Knochen sind angenagt und durcheinandergeworfen, zweifellos von irgendwelchen Tieren. Modrige Stofffetzen; eine kleine rosarote Sandale.
    Jimmy fällt auf die Knie; er hat die Hände vors Gesicht geschlagen. Toby berührt ihn an der Schulter. »Wir müssen weiter«, sagt sie; aber er sagt: »Lass mich in Ruhe!«
    An einem der Schädel hängt eine schmutzige rosa Schleife in dem langen schwarzen Haar. Haare verwesen nur langsam, das wussten auch die Gärtner. Jimmy macht die Schleife los, dreht sie zwischen den Fingern. »Oryx. O Gott«, sagt er. »Du Wichser, Crake! Du hättest sie nicht umbringen müssen!«
    Zeb steht jetzt neben Toby. »Vielleicht war sie schon krank«, sagt er zu Jimmy. »Vielleicht konnte er ohne sie nicht leben. Komm, wir müssen da rein.«
    »Oh, fuck, erspar mir deine verdammten Klischees!«, sagt Jimmy.
    »Wir können ihn erstmal hierlassen, es droht keine Gefahr; lass uns reingehen«, sagt Toby. »Wir müssen sichergehen, dass sie noch nicht im Lager sind.«
    Die anderen stehen direkt vor dem Eingang – die MaddAddamiten, der Haupttrupp der Schweine. »Was ist los?«, fragt Nashorn.
    Der kleine Blackbeard zerrt an ihrer Hand. »Bitte, o Toby, was ist ein Klischee ?«
    Toby weiß kaum, wie sie reagieren soll, denn gerade erkennt er die Wahrheit: Diese Skelette sind Oryx und Crake. Jimmy hat ihre Namen ausgesprochen; er hat alles mitbekommen. Ängstlich blickt er zu ihr hoch: Sie sieht, dass eine Welt zusammenbricht, sie sieht das Ausmaß der Zerstörung.
    »O Toby, ist das Oryx und ist das Crake?«, fragt er. »Schneemensch-Jimmy hat es gesagt! Aber sie sind ein stinkender Knochen, sie sind viele stinkende Knochen!« Er bricht in Tränen aus, als wenn ihm das Herz brechen würde.
    Toby kniet sich hin, nimmt ihn in den Arm und drückt ihn an sich. Was soll sie sagen? Wie soll sie ihn trösten angesichts dieser verheerenden Trauer?

Die Geschichte der Schlacht
    Toby kann heute Abend die Geschichte nicht erzählen. Sie ist zu traurig, wegen der Toten. Die gestorben sind in der Schlacht. Also werde ich jetzt versuchen, euch diese Geschichte zu erzählen. Ich werde sie euch so erzählen, wie es sein muss, wenn ich kann.
    Erst setze ich mir die rote Mütze auf den Kopf, die Mütze von Schneemensch-Jimmy. Auf der Mütze sind Zeichen – seht, es ist eine Stimme, und die Stimme sagt: RED . Und sie sagt: SOX .
    SOX ist ein besonderes Wort des Crake. Wir wissen nicht, was es bedeutet. Toby weiß es auch nicht. Vielleicht werden wir es später einmal erfahren.
    Aber seht – die rote Mütze ist auf meinem Kopf, und sie tut mir nicht weh. Es wächst mir keine

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