Die Geschichte von Zoe und Will
Mal, hat sie ihrem Dad erzählt, dass sie nach der Schule noch dableiben muss, weil sie einem Schüler in Chemie Nachhilfe gibt. Er ist ausgeflippt, weil er dachte, die Schule würde sie ausnutzen und umsonst für sich arbeiten lassen, aber das war besser, als hätte er gewusst, dass wir uns irgendwo ein Versteck gesucht und geredet haben, denn wir hatten dieses ganze Leben, von dem wir dem anderen erzählen wollten, und brannten gleichzeitig darauf, alles zu erfahren.
Aber jetzt muss ich die Dinge herausfinden, von denen sie mir im Traum nichts erzählen würde, weil sie sie selbst noch nicht weiß. Etwa, wie ihr Lächeln an einen selbst erschaffenen Ort verschwindet, wenn sie aufhört, über das Glück nachzudenken und an anderes Zeug denkt. Zeug, von dem ich nichts weiß, und ein Ort, an den ich ihr nicht folgen kann.
Ich berühre ihre Hand, aber sie ist jetzt an diesem Ort, und ich fühle mich einsam in der Wüste.
ZOE
MEINE MOM . Das Gesamtbild ist verschwommen. Es sind die Details, an die ich mich am besten erinnere. Warme Hände, die nach Creme rochen. Dünne Haarsträhnen, die ihr in die Augen fielen, wenn sie sich bei der Hausarbeit nach vorne beugte. Verstohlenes Geflüster, das mich drängte, in meinem Zimmer zu bleiben, wo ich hinter geschlossenen Türen saß und nur lauschte, lauschte, und die Schatten und Tränen auf ihrem Gesicht, als sie schließlich die Tür wieder öffnete, um mir zu sagen, alles wäre in Ordnung, ich könnte jetzt herauskommen.
Ich erinnere mich, dass ich immer dachte, ich hätte etwas angestellt, wenn sie mich so in mein Zimmer schickte. Ich glaube, ich hatte die ganze Zeit über keine Ahnung, dass es nicht meine Probleme waren, weshalb sie mich versteckte.
Nicht bis zu dem Tag, als ich ihre Blutergüsse sah, die mich aus dem Spiegel anstarrten. Da wusste ich es.
Von dem Moment an liebte ich sie mehr, als ich es für möglich hielt, weil sie mich beschützte, und hasste sie gleichzeitig, weil sie uns nicht von ihm wegbrachte.
Meine Mom hatte keinerlei Familie. Ihre Eltern hatten längst die Hoffnung aufgegeben, eigene Kinder zu haben, als meine Mutter sich unerwartet ankündigte. Sie waren alt, hatte sie mir erzählt, und lebten nicht lange genug, um ihr einziges Enkelkind zu Gesicht zu bekommen.
Als sie starben, heiratete sie den erstbesten Mann, der versprach, sich um sie zu kümmern.
Und wie er das getan hat.
Ich blicke zu Will. Sein Gesicht ist ein Musterbeispiel an Konzentration, während er das Lenkrad umklammert, aber ich glaube nicht, dass seine Aufmerksamkeit aufs Fahren gerichtet ist. Ich kann die Gedanken nur erahnen, die ihm durch den Kopf schießen. Er muss so verängstigt, so wütend, so frustriert sein. Er hat mir geholfen, vor meinem Dad wegzulaufen, vor der Schuld, davor, wie die Frau zu werden, die nicht überleben konnte, nicht wollte, nicht einmal um meinetwillen.
Er ist der Erste, der versprochen hat, sich um mich zu kümmern.
Ich schalte die Innenbeleuchtung des Wagens ein und ziehe den Ausweis, den er mir gegeben hat, aus der Jeanstasche, betrachte das Gesicht, das Geburtsdatum, das mich drei Jahre älter macht, als ich in Wirklichkeit bin. Wieso habe ich törichterweise nicht darüber nachgedacht, warum er das für mich getan hat. Warum ich achtzehn sein musste, damit wir gemeinsam die Grenzen der Bundesstaaten überqueren können. Am liebsten würde ich mir die Haare ausreißen, weil ich es nicht gesehen habe, weil ich derart in der Ekstase des Fliehens gefangen war, dass ich keine Sekunde daran verschwendet habe, was dies für Will bedeuten, in welch große Schwierigkeiten er geraten könnte. Wie konnte ich so blind sein, so selbstsüchtig?
Die ganze Zeit über bin ich vor den Problemen in meinem Leben geflüchtet, während Will sich weiteren Ärger aufgeladen hat. Wie kann ich ihm geben, was er braucht, wenn ich ihn noch weiter nach unten ziehe? Wie kann er zu mir gehören, wenn er nicht aus dem dunklen Ort herauskommt, an dem er gefangen ist? Falls das FBI uns aufspürt, entscheidet, dass wir die Dinge mit Absicht getan haben, entscheidet, dass wir eine Wahl hatten, wo es keine gab, werden Will und ich nie mehr zusammen sein können.
Ich nehme Wills Handy.
»Schenk mir ein Lächeln«, fordere ich ihn auf und drehe die Kamera in seine Richtung.
Ich reiße ihn aus seinen Gedanken, und er sieht mich verwundert an. »Was tust du da?«
»Ich vermisse dein Lächeln.« Meine Stimme bricht. Ich räuspere mich. »Lächle jetzt bitte mir
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