Die Geschichte von Zoe und Will
sauberen Jeans.
Ich kann den Dreck nicht entfernen. Ich kann die Jeans nicht waschen. Nicht solange wir auf der Flucht sind.
Ich wische mit den Händen über meine Beine, erst langsam, in der Hoffnung, den Schmutz wegrubbeln zu können, dann schnell, immer schneller, und die Flecken verschmieren. Ich mache es nur schlimmer.
Ich kann nicht aufhören, es schlimmer zu machen.
Ich drücke meine Handgelenke in meine Augen, um die Schreie zurückzudrängen, die sich in mir aufbauen. Alles wegen ein paar Schlammspritzern. Ich atme gegen das Schluchzen an. Grabe meine Fäuste schmerzhaft in meine Augenhöhlen. Reiß dich zusammen. Ich muss mich zusammenreißen.
Ich zwinge meine Hände an meine Seiten, kneife die Augen fest zu und beiße mir in die Innenseite meiner Wangen. Blut schießt durch meine Gliedmaßen wie ein wütender Mistral. Mein Herz flattert wie ein Windspiel.
Hör auf, Zoe!
Will kümmert sich um alles.
Ich unterdrücke ein Schluchzen.
Muss ich das wirklich glauben? Er will, dass ich stark bin. Was, wenn ich mich dazu entscheide, diese Stärke zu nutzen, um das Böse zu überwinden, das mein Dad mir auferlegt hat – und das ganz alleine? Ihm und jedem anderen, Will eingeschlossen, verbiete, mein Schicksal zu bestimmen, mich an die Kandare zu nehmen?
»Zoe?«
Ich versuche zu antworten, aber mein Mund ist voller Tränen, und ich fühle mich lächerlich und kindisch.
Wird er glauben, dass ich ihn hintergehe? Tue ich das denn? Ist es überhaupt noch möglich, das Richtige zu tun? Als wüsste ich, was das wäre. Warum kann es nicht das Richtige sein, glücklich und frei zu sein? Warum können wir nicht an die Stelle zurückkehren, als Will und ich noch glaubten, das Richtige bekommen zu können?
»Wir können das nicht tun. Wir können so nicht weitermachen, weglaufen, Angst haben und kriminell sein.« Meine Brust hebt sich gegen seine, unstet und labil. Ich muss mit diesem Schluchzen aufhören. Ich muss für uns stark sein, so stark, wie er ist. Er weiß nicht, was mit mir los ist, was er tun soll. Meine Fäuste schlagen in der Wüstenluft wild um sich. Ich stampfe mit dem Fuß auf Stein und Sand. »Ich will das nicht mehr«, schreie ich.
Will zieht mich an sich, aber das hilft kein bisschen.
Ich schreie erneut. Etwas Unverständliches. Ich weiß, es ist ein Tobsuchtsanfall, aber er fühlt sich so gut an.
Wills Hände zittern an meinem Rücken.
»Das ist nicht okay. Ist es nicht. Aber das wird’s wieder. Ich wusste nicht, dass es so werden würde – es ist dein gutes Recht zu glauben, dass ich dein Leben vermurkst habe. Aber ich werde mich um dich kümmern. Ich werde dich beschützen, das verspreche ich. Dir kann nichts mehr passieren. Wir haben es fast geschafft. Alles wird gut, Zoe, das verspreche ich.«
Ich berge mein Gesicht in seinem Hemd, umklammere seine Oberarme so fest wie möglich.
»Will!«
»Schshh.«
Ich atme. Schüttle den Kopf. Hebe das Kinn, damit er die unerträglichen Qualen sieht, die ich beim Sprechen empfinde. »Ich will nach Hause.«
Ich spüre, wie sich seine Brust bei meinen Worten zusammenzieht, dann höre ich ein schreckliches Geräusch
»Wo du bist, ist mein Zuhause. Warum kann ich nicht der sein …« Er würgt bei dem Schmerz, den ich ihm zugefügt habe, der Enttäuschung, die ich für ihn bin. Ich will ihm sagen, dass er mein Zuhause ist, er der Ort ist, an dem ich mich am sichersten fühle, aber meine Zunge ist wie verknotet bei dem Versuch, wie ich es am besten ausdrücken soll, damit er mir glaubt. Insbesondere als ich allmählich erkenne, dass das Zuhause, das ich möchte, der Will, den ich möchte, derjenige ist, der vor nichts mehr davonlaufen muss.
Er räuspert sich. »Ich lass nicht zu, dass du nach Hause gehst und wie deine Mom stirbst. Ich lass nicht zu, dass er dir das antut.«
»Nein, sag das nicht, nicht so.«
»Er hat sie umgebracht, Zoe. Er hat deine Mom getötet, und er hätte dich auch getötet. Vielleicht nicht deinen Körper, aber dein Inneres. Er hat dich bereits auf dem Gewissen. Ich liebe dich. Mehr als das. Ich kümmere mich um dich. Glaub mir. Versprochen.«
»Hör auf, Will. Hör auf! Hör auf, mir Dinge zu versprechen, die du nicht halten kannst. Keine Versprechungen mehr! Wir können so nicht weitermachen. Wir können das nicht, dieses Leben auf der Flucht, weglaufen, nichts als weglaufen und sich vor jedem verstecken. Das ist kein Leben!«
»Mein Leben ist, wo du bist.« Wie kann seine Stimme so ruhig sein, während ich nicht
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