Die Geschichte von Zoe und Will
müssten.
Die Sonne geht hinter uns auf, blendet mich im Rückspiegel. Sie ist kaum über den Horizont gekrochen, und die Schatten der Sträucher, der Falken auf den Telefonmasten und der Autos sind lang und dünn.
Zoe ist schon seit einer Weile still, und ich versuche mir einzureden, dass es eines dieser angenehmen Schweigen ist, aber da bin ich mir nicht so sicher. Sie starrt aus dem Fenster, als könnte sie es nicht über sich bringen, mich anzuschauen. Ich habe viel zu viele Dinge falsch gemacht. Ich könnte mich auch nicht anschauen. Ich frage mich, ob ich den Weg ändern kann, auf dem wir sind, oder ob es dafür zu spät ist. Für mich scheint es immer zu spät zu sein.
»Bist du langsam hungrig?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Das ist gut. Sieht nicht so aus, als würde in nächster Zeit was kommen.« Sie lächelt nicht über meinen bescheuerten Witz. Ich zerquetsche das Lenkrad in meinen Fäusten. »Ich hab eine Menge ziemlich schlimmer Dinge getan. Tut mir leid, dass ich nicht dieser supertolle Mensch für dich bin. Du hast was Besseres verdient.«
Sie sieht mich an, endlich, mit großen Augen und einem zitternden Kinn. »Du bist alles für mich«, ihre Stimme klingt ein wenig krächzend.
Ich muss uns aus dem hier rausholen. Die Freiheit wiederfinden, die wir an diesem ersten Tag hatten, als wir North Dakota verlassen haben. Wir können das überstehen. Das ist alles, woran sie glauben soll.
»Ich glaube, ich hab rausgekriegt, wer mein Dad war. Ich glaube, es war der Teufel. Es fließt in meinen Adern. Willst du immer noch mit mir zusammen sein?« Ich grinse sie an, versuche, diesen Ausdruck auf ihrem Gesicht zu verändern. Aber im Moment gelingt mir nicht mal der kleinste Witz. Sie sieht mich schrecklich traurig an, trauriger als zuvor, und ich weiß, ich habe bei allem versagt. »Ich hab viel gelernt, was man nicht tun sollte, weißt du? Ich muss nur noch kapieren, was ich tun soll .«
Sie nickt in meine Richtung. »Das wäre schön.«
»Ich weiß. Und das werde ich auch.«
Ich fahre mir übers Gesicht, presse meine geballte Faust auf meine Stirn. Meine Augen sind schwer. Ich bin daran gewöhnt, dass meine Muskeln nach einem Tag Arbeit müde sind, aber dieses tagelange Wachbleiben macht mich fertig. Ich schwöre, ich sehe eine nasse Straße vor mir, obwohl es nicht geregnet hat, seit wir in die Wüste gekommen sind.
»Wirf mal einen Blick auf die Straßenkarte. Suchst du bitte einen Ort in Kalifornien aus, an dem wir anhalten können? Dann holen wir dir was zu Essen und legen uns aufs Ohr.«
»Ich bin nicht hungrig, wirklich«, sagt sie, aber sie greift nach dem Straßenatlas und blättert ihn durch. Schaut sich die Seiten allerdings nicht wirklich an. Sie holt Atem. »Will, vielleicht sollten wir lieber umdrehen?«
Ich sehe sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ihre nächsten Worte stürzen aus ihr heraus wie ein Wasserfall.
»Fahr zurück nach Vegas. Du hast recht, es ist eine große Stadt. Wie sollte uns dort jemand finden? Vielleicht … vielleicht sollten wir uns an unseren ursprünglichen Plan halten. Statt dem hier … Alles ist so verwirrend. Wir wissen gar nicht, wo wir in Kalifornien bleiben sollen. Was wir tun sollen. Wer dort sein wird. Was tun wir dort?«
»Komm schon, Zoe, normalerweise bist du die Standhafte von uns beiden. Was willst du, dass ich tue? Wir können nicht zurück, schon vergessen? Wir haben dort niemanden.«
Sie saugt einen Moment an ihrer Lippe, bevor sie die Schultern hängen lässt. »Nein, wir können nicht zurück. Ich … ich weiß nur nicht, ob ich überhaupt noch nach Kalifornien will.«
Ein nagendes Gefühl macht sich in mir breit, wie eine Kakerlake, die meinen Arm hinaufkriecht, und es ist schwer, die Worte zu finden, die ich brauche. »Willst du nicht nach Kalifornien … oder willst du nicht mit mir dorthin?«
Sie richtet den Blick auf mich, und mein Kopf dreht sich, weil ich nicht weiß, was sie will oder nicht will.
»Mit dir zusammen zu sein, ist alles, was ich je wollte.«
»Dann lass uns genau hier anhalten. Lass uns eine Hütte bauen und in der Wüste leben. Was denkst du?« Darüber lacht sie. Endlich, sie lacht. »Na gut, vielleicht lieber doch nicht. Wir fahren weiter. Noch ein bisschen. Aber wir halten bald, okay?«
Sie starrt mich eine Weile an, ohne zu antworten. Ich sehe sie ein Mal an, zwei Mal, überprüfe nach jedem Blick die Straße. Irgendwas geht in ihrem Kopf vor. Ich hasse es, nicht zu wissen, was. Hinter uns sind Autos,
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