Die Geschlechterluege
und »kräftig« belegt (wozu auch das gehörte, was Rothman scherzhaft als »John-Wayne-Fötus« bezeichnete – »ruhig, aber kraftvoll«). Die Aktivität eines weiblichen Fötus hingegen wurde mit gemäßigteren Termini belegt: »Die Bewegungen der Mädchen wurden als nicht gewalttätig, nicht übermäßig energisch, nicht allzu lebhaft charakterisiert.« 589
Und dann liegen uns noch die interessanten Erfahrungen der Pädagogin Kara Smith vor, die auch in der Frauenforschung aktiv war und sich während ihrer Schwangerschaft immer wieder Notizen über ihre Gefühle und Gedanken machte. Während der gesamten neun Schwangerschaftsmonate hielt Smith sämtliche Wörter und Gefühle fest, die sie dem ungeborenen Baby mitteilte. Im sechsten Schwangerschaftsmonat klärte eine Ultraschalluntersuchung sie über das Geschlecht des Babys auf:
Es war ein Junge. Er war jetzt »kräftiger« als das Kind, das ich noch vor einer Minute gekannt hatte. Er musste nicht mit »Kleines« angeredet werden oder ähnlich zärtlichen, weichen Wörtern. … Ich sprach jetzt in einer tieferen Stimmlage zu ihm. Meine Stimme klang nicht mehr so weich. Der Ton wurde artikulierter, kürzer; davor hatte ich höher, weiblicher gesprochen. Ich wollte, dass er »stark« und »sportlich« wurde, deshalb musste ich zu ihm in stereotypisch »starkem«, »maskulinem« Tonfall sprechen, um seine »angeborene Stärke« zu fördern.
Was Smith bei dieser Erfahrung am meisten verblüffte, war der Umstand, dass eine Frau wie sie, der die negativen Folgeneiner stereotyp an Geschlechtsunterschieden orientierten Sozialisierung ja durchaus bewusst waren, in ihrer Reaktion auf ihr Baby unwillkürlich auf Stereotype zurückgriff. »Ich war ehrlich gesagt regelrecht schockiert über mein Verhalten«, berichtet sie. Sie war ja nicht irgendeine Mutter, sondern gehörte zu den Müttern, die sich als erklärte Feministinnen mit Frauenforschung beschäftigt hatten, die Spezies also, die in den Abhandlungen über die Irrtümer der genderneutralen Kindererziehung so prima als Witzfigur taugt; und ausgerechnet sie musste bei sich selbst feststellen, dass sie ihr Kind schon vor seiner Geburt in eine genderspezifische Richtung sozialisierte. 590
Das ist nun zwar lediglich die Erfahrung einer einzelnen Person. Allerdings wird Smith’ Beobachtung, dass nämlich ihr Verhalten ihre Werte konterkariert, von mehreren Studien bestätigt. Wenn all unsere Handlungen und Urteile auf reflektierten, bewusst gewählten Überzeugungen und Werten beruhen würden, dann ginge es hier auf der Erde nicht nur besser zu, auch dieses Buch wäre dann entschieden kürzer. Sozialpsychologen, die sich mit der Frage befassen, wie implizite und explizite Prozesse zusammenwirken, wenn es um die Entstehung unserer Wahrnehmungen, Gefühle und unseres Verhaltens geht, verweisen auf die immense Rolle dessen, »was sich in unserem Denken und Fühlen ohne unsere ausdrückliche Zustimmung abspielt«. 591 Das wirkt sich vor allem dann aus, wenn die impliziten Vorstellungen nicht mit den zeitgemäßeren Überzeugungen des Bewusstseins übereinstimmen. Implizite Vorstellungen haben in unserer Psyche einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert. Sie verzerren die soziale Wahrnehmung, schleichen sich in unser Verhalten ein, sie beeinflussen unsere Entscheidungen – und all das geschieht, ohne dass wir es merken. 592
Noch bevor ein Kind mehr ist als das Glitzern in PapasAuge, sind die elterlichen Genderassoziationen schon abrufbereit an Ort und Stelle. Die knappen, doch überzeugenden Daten dieses Kapitels lassen erkennen, dass bewusste ebenso wie unbewusste Genderauffassungen bereits die Vorstellungen hinsichtlich der Interessen und Werte eines erwarteten Kindes formen, dass sie die Art und Weise beeinflussen, wie die Mutter die Bewegungen des Kindes in ihrem Bauch wahrnimmt, und dass sie die Kommunikation einer Mutter mit ihrem ungeborenen Kind in je eigener Weise prägen.
Und dann kommt das Baby auf die Welt.
Es ist ein Junge!
Rob und Kris sind begeistert, das wohlbehaltene Eintreffen von Jack Morgan Tinker bekanntzugeben. Die stolzen Großeltern sind Hollis und Marilyn Clifton aus Ottawa und Larry und Rosemary Tinker aus Montreal. Willkommen, kleiner Mann!
Es ist ein Mädchen!
Barbara Lofton und Scott Hasler freuen sich, die Geburt ihrer entzückenden Tochter Madison Evelyn Hasler bekanntzugeben. Die Großeltern sind froh und überwältigt.
An Geburtsanzeigen kann man eine Menge
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