Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
Herren, könnte gar wohl mit dem Weltsystem zusammenhängen. Ich vermute sogar, daß sie im allgemeinen auf dieselbe Ursache zurückzuführen sei, welche Ebbe und Flut bestimmen. Bemerken Sie, ich bitte, daß wir heute Vollmond haben und Tag- und Nachtgleiche. Doch bevor wir auf meiner Hypothese weiter bauen, heißt es abwarten, was die Kleinode in den nächsten vier Wochen sagen werden.«
Man zuckte die Achseln, man mochte ihm nicht einwenden, er rede ja selbst wie ein Kleinod; aber er ist ein durchdringender Kopf, er merkte gleich, daß man es dachte.
Der Anziehungsmann Reciproco nahm nun das Wort: »Meine Herren, ich habe eine Berechnungs-Tabelle über die mutmaßliche Höhe der Flut, in allen Häfen des Königreichs, entworfen. Freilich widersprechen die bisherigen Beobachtungen meinen Berechnungen ein wenig: hoffentlich aber wird dieser kleine Übelstand wieder wettgemacht werden durch den Vorteil der Entdeckung, daß die Redseligkeit der Kleinode mit der Erscheinung der Ebbe und Flut zusammentrifft.«
Ein dritter stand auf, näherte sich der schwarzen Tafel, entwarf eine Figur mit Kreide und sagte: »Diese hier sei das Kleinod A.B. …« Hier bringt uns die Unwissenheit der Übersetzer um einen Beweis, den der gelehrte Afrikaner sicherlich der Länge nach aufgezeichnet hatte. Es gibt eine Lücke von mehr als zwei Seiten, darauf folgt: »Reciprocos Gründe schienen unwiderleglich, und nach den Proben seiner Dialektik hielt man es für ausgemacht, es sei ihm ein leichtes, dereinst darzutun, die Weiber müßten heutzutage vermittelst ihrer Kleinode reden, weil sie von jeher vermittelst ihrer Ohren gehört hätten.«
Endlich sprach Professor Guallonorone aus der höflichen Zunft Her Zunft der Anatomiker: »Meine Herren, ich halte dafür, es wäre besser getan, sich mit einer Erscheinung gar nicht abzugeben, als ihre Ursachen in luftigen Hypothesen aufzusuchen. Was mich betrifft, so hätt’ ich mein Maul gehalten, wenn ich Ihnen nichts als windige Vermutungen auftischen könnte; aber ich habe geprüft, studiert und nachgedacht. Ich habe Kleinode im Paroxysmus beobachtet und habe mit Hilfe der Kenntniß dieser einzelnen Teile und mittelst des Experiments die Gewißheit erlangt, daß das, was wir auf Griechisch Delphos nennen, alle Eigenschaften der Luftröhre besitzt; und daß es folglich Weiber geben muß, die ebensogut mit ihrem Kleinode reden können, wie mit ihrem Munde. Ja, meine Herren, dieser Delphos ist sowohl ein Saiten-Instrument als ein Blase-Instrument, aber weit mehr ein Saiten-Instrument als Blase-Instrument. Wenn die äußere Luft darauf stößt, so verrichtet sie das Geschäft eines Bogens auf den sehnigen Fasern an beiden Klappen, die ich lautfähige Saiten oder Bänder nennen möchte. Durch die sanfte Erschütterung der Luft sprechen die lautfähigen Saiten an, und wie sie schneller oder langsamer erzittern, so sind auch die Töne verschieden, die sie von sich geben. Ein so geschaffenes Kleinod wird entweder lallen, oder reden, oder vielleicht gar singen.
Da es aber nur zwei lautfähige Saiten oder Bänder gibt, und beide ohne allen Zweifel von gleicher Länge sind, so entsteht die Frage: wie können sie wohl hinreichend sein, die Menge tiefer oder hoher, starker oder schwacher Töne hervorzubringen, deren die menschliche Stimme fähig ist? Ich fahre fort, dieses Organ aus der Vergleichung mit einem musikalischen Instrument zu erklären, und antworte: daß die Ausdehnung und Zusammenziehung beider Saiten gar wohl imstande sei, diese Wirkung zu veranlassen.
Es ist unnötig, meine Herren, in einer Versammlung von Gelehrten Ihres Ranges die Fähigkeit dieser Ausdehnung und Zusammenziehung zu beweisen, aber daß der Delphos vermittelst solcher Ausdehnung und Zusammenziehung die tiefen und hohen Töne, kurz alle Veränderungen der Stimme und die ganze Singleiter durchzugehen imstande sei, das ist eine Tatsache, die ich mir schmeichle, Ihnen einwandfrei darlegen zu können. Ich lade Sie ein, diesem Versuch in Person beizuwohnen. Ich werde die Ehre haben, meine Herren, Delphos und Kleinode in Ihrer Gegenwart, sprechen, reden und singen zu lassen.«
So sprach Guallonorone, und er hoffte nichts Geringeres, als die Kleinode eben so berühmt zu machen, als es die Luftröhren durch die Versuche eines seiner Kollegen geworden waren, dessen Entdeckungen der Neid vergebens bekämpfen wollte.
Noch waren Guallonorones Versuche nicht vorgelegt, und schon machte man ihm Einwürfe. Dies beweist, daß man seine
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