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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feucht Wanger
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zurückgesehnt.Wenn Politik für Herrn Gutwetter ein fremder Stern ist, dann wird er eben die Reise nach diesem fremden Stern antreten müssen, wenn anders er bei Sybil Rauch noch Verständnis für sein kosmisches Gefühl zu finden hofft.
    Auch Sybil hatte es mit einem widerwilligen, störrischen Gutwetter zu tun. Aber sie verfügte über wirksamere Argumente als Mühlheim. Bald hatte sie ein Schreiben an sehr maßgebliche Stellen in der Hand, das Aussichten öffnete.
    Jacques Lavendel seinesteils unterbrach seine Muße in Lugano und fuhr nach Berlin, um sich einmal nach seinem Freunde Friedrich Pfanz im Wirtschaftsministerium umzuschauen. Allzu gut machte der seine Sache nicht. Sonst könnten nicht Dinge passieren wie zum Beispiel die Geschichten in den Konzentrationslagern. Ob Herr Pfanz glaube, daß solche Geschichten dem deutschen Kredit förderlich seien? Herr Pfanz glaubte es nicht. Auch Herr Jacques Lavendel sah sich bald im Besitz eines Schreibens an maßgebliche Stellen, das nicht ohne Aussicht war.
    In Moosach war inzwischen ein andrer Kommandant eingesetzt. Der neue Herr besichtigte das Lager, besichtigte die Arbeiten an der Straße. Es war an dem, daß die Straße gewalzt werden mußte. Man erzählte ihm, dazu bedürfe es einer Dampfwalze von zwanzig Pferdekräften. Der Kommandant hatte einen Einfall. Zwanzig Pferdekräfte, das entspricht der Kraft von achtzig Menschen. Hatte man nicht die achtzig Menschen? Wozu den teuren Dampf? Es wurden also achtzig Häftlinge vor die Walze gespannt; Landsknechte mit Knüppel und Revolver begleiteten sie. Und siehe, die Rechnung stimmte, die Walze bewegte sich. Hü-Hott-Heil-Hitler, kommandierten die Landsknechte. Die achtzig Sträflinge in ihren gestreiften Kleidern mit den bärtigen, abgezehrten, gefleckten Gesichtern, kahl, einige mit der Hakenkreuzfrisur, zogen an, keuchten, zogen. Hü-Hott-Heil-Hitler. Es sollten alle Häftlinge die Methoden des Kommandanten ausprobieren. Man spannte also jeden Tag andre Häftlinge vor.Beliebt war die Arbeit nicht. Die Stricke schnitten ein. Man war abhängig von seinen Arbeitsgenossen. Die Arbeit mußte exakt, im Tempo ausgeführt werden; denn sie wurde vor Augen der Öffentlichkeit ausgeführt.
    Ja, der neue Kommandant war sehr stolz auf seine Idee. Diese Straße war ganz mit Menschenkraft gebaut, ohne Maschinen, sie entsprach der neuen Zeit, dem Dritten Reich, dem Geist, der gegen Maschinen kämpft. Er lud Freunde ein, auszuprobieren, ob diese Straße nicht ebensogut fahrbar sei wie jede andere. Ziel zwar hatte die Straße keines; sie führte vom Lager Moosach ins Moor, um das Moor herum und wieder zurück ins Lager, und niemand benötigte sie. Aber es war eine gute Straße, die Freunde und Bekannten des Kommandanten sollten sehen, wie gut sie war.
    Sie kamen und sahen. Sie sahen die Gefangenen eingespannt vor der Walze, und das war etwas, was sie nie vorher gesehen hatten. Sie erzählten es ihren Bekannten. Das Lager war abgesperrt, die neue Straße war abgesperrt, aber die Art des Straßenbaues erregte Neugier, sehr viele baten den Kommandanten um eine Erlaubniskarte, sich die Arbeiten anschauen zu dürfen, und er war stolz, welch großem Interesse seine Idee begegnete.
    Sybil Rauch war inzwischen nach der süddeutschen Landeshauptstadt gekommen, um hier die Freilassung Gustavs wirksamer zu betreiben. Sie hatte von der Idee des neuen Kommandanten gehört und sich eine Erlaubniskarte zu verschaffen gewußt. Täglich fuhr sie hinaus, wo die Gefangenen vor der Dampfwalze arbeiteten.
    Es war am siebenten Tag, als Gustav und die Mannschaften seiner Abteilung vor die Walze gespannt wurden. Seine Gesundheit hatte sich in der letzten Zeit verschlechtert. Er litt an Atemnot. Obwohl er ein kräftiger Mann war, begann das Training ihn immer mehr anzustrengen, und er hatte jetzt mehrmals und immer häufiger Ohnmachtsanfälle.
    An dem Tag aber, an dem er vor der Walze war, fühlte er sich ziemlich frisch, und während er im Geschirr zog, Hü-Hott-Heil-Hitler,kamen Gedanken in ihm hoch, wie er sie lange nicht mehr gehabt hatte. Er dachte an jenen Sederabend bei Jacques Lavendel in Lugano, und daß damals Berthold fehlte. Der hätte fragen sollen: »Wodurch unterscheidet sich diese Nacht?« Er hätte sich um Berthold kümmern sollen, nicht um Jean. Jean gehörte zu den Völkischen, vielleicht ist er unter den Wachhabenden. Nein, dazu ist er zu alt. Jean mit seinem würdigen Gesicht müßte eigentlich Minister werden. Sie haben wenig Führer

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