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Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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abwehrende Handbewebung.
    »An deiner Stelle würde ich nicht näher kommen, Starling«, rief er warnend und nahm seine Brille ab. »Du möchtest doch nicht, dass einer von uns nervös wird und das Feuer eröffnet, oder? Es könnte jemand verletzt werden.«
    Jonathan biss sich auf die Lippe und wich einen Schritt zurück. Der Vampir sprang aus dem Fahrzeug, ging zur Beifahrerseite und bot Marianne seine Hand an. Die Kopfgeldjägerin nahm sie höflich entgegen und stieg graziös aus. Sie trug ein knöchellanges Abendkleid, das auch ihre Arme und ihren Hals bedeckte und dessen Farbe zu ihren Haaren passte. Sie schenkte Jonathan ein strahlendes Lächeln.
    »Wusste ich es doch!«, rief sie. »Hab ich es dir nicht gesagt, Vendetta? Egal, was dieser billige Zauberer sagt, am Ende wird Jonathan hier auftauchen. Hab ich das nicht gesagt, Jungs?«
    Humble und Skeet nickten feierlich.
    »Wie es scheint, ist dein Glaube an den Jungen unerschütterlich«, erwiderte Vendetta scharf. »Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie glücklich ich bin, dass du recht hattest.« Er bedachte Jonathan mit einem finsterenBlick. »Man hatte mir gesagt, dass man sich deiner angenommen hat. Eine weitere Wette, die ich deinetwegen verloren habe. Ich gehe davon aus, dass Mountebank nicht mehr unter uns weilt?«
    »Sagen wir es so«, knurrte Carnegie und machte einen Schritt nach vorne. »Er wird keine Kartentricks mehr vorführen.«
    Skeet sprang in seinem Sitz auf und richtete sein Gewehr auf ihn.
    »Pfeif deinen Hund zurück oder ich lasse ihn kastrieren«, blaffte Marianne. Ihre überschwängliche Laune war verpufft.
    »Warte! Ist schon in Ordnung!« Jonathan ging dazwischen, da er fürchtete, dass Carnegie die Nerven verlieren könnte. Er stieß den Wermenschen zurück.
    »Hör zu, wir wollen keinen Ärger. Wir wollen nur Miss Elwood wieder und das war’s.«
    Vendetta hob eine Augenbraue an.
    »Womit wir nahtlos zur wichtigsten Frage des Abends kämen. Du magst ja den Magier aus dem Weg geräumt haben, aber hast du auch den Purpur-Stein?«
    Jonathan zeigte mit dem Daumen auf das große Zirkuszelt.
    »Er ist da drin.«
    Marianne blickte zu Humble.
    »Wir gehen rein. Ihr beide kümmert euch wie besprochen um die Dame, verstanden?« Sie wandte sich an Jonathan. »Wenn ihr da drinnen irgendeinen Unsinn vorhabt, dann stirbt deine Freundin, alles klar?«
    Jonathan nickte und schob die Zeltbahn am Eingang des großen Zirkuszelts zur Seite. Große Risse im Zeltdach gaben den Blick auf den Sternenhimmel frei. In der Mitte der Manege war eine mobile Bühne aufgebaut. Darauf stand Mountebanks blaue Kiste inmitten von einem Ring aus Kerzen. Raquella saß im Publikum und erwartete sie. Sie nickte Jonathan zu, als er das Zelt betrat, und vollführte einen schwungvollen Knicks, als Vendetta hinter ihm hereinstürmte. Der Vampir ignorierte sie. Er hatte nur Augen für die Kiste, kletterte auf die Bühne und fuhr mit leuchtenden Augen mit seinen Händen über die Kiste.
    »Habt ihr irgendeine Vorstellung«, sagte er sanft mit vor Begehren triefender Stimme, »wie lange ich schon ersehne, diesen Stein zu besitzen?«
    »Dann lass uns nicht länger warten«, rief Marianne. »Öffne die Kiste!«
    Die Luft im Zelt vibrierte vor Spannung. Vendetta öffnete die Verschlüsse der Kiste. Sogar Carnegie beugte sich vor. Als der Vampir die Verschlüsse aufschnappen ließ, klappten die Seitenteile um wie ein Kartenhaus. Sie enthüllten keinen Purpur-Stein, keine unbezahlbaren Juwelen und keinen glänzenden, wie auch immer gearteten Schatz. Die Kiste war vollkommen leer.
    Stille breitete sich aus. Die Zuschauer versuchten, diesen Anblick zu verdauen. Dann packte Vendetta Jonathans Arm und schüttelte ihn wild.
    »Soll … das … ein … Scherz sein?« Der Vampir war so wütend, dass er die Worte kaum hervorbrachte.
    »Nein!«, rief Jonathan verwirrt. »Ich schwöre … Mountebank hat uns gesagt, der Stein wäre in der Kiste … Er muss ihn irgendwo anders versteckt haben.«
    Vendetta lockerte seinen Griff nicht. Seine Pupillen verengten sich.
    »Dachtest du, wir nehmen die Kiste einfach mit, ohne reinzusehen? Dachtest du, du könntest deine Freundin befreien und den Purpur-Stein behalten? Sag mir, Starling, bist du so gierig geworden?«
    »Nein, ehrlich! Ich weiß nicht, wo der Stein ist! Ich dachte, er wäre hier!«
    »Ich weiß nicht, ob ich dir glaube.«
    »Ach, lass den Jungen in Ruhe, Vendetta«, rief Marianne. »Du bist zu sehr damit beschäftigt, ihn zu schütteln.

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