Die Gilde von Shandar: Die Spionin
dass sie sich einfach versteckte. Doch das tat sie nicht. Stattdessen richtete sie mit ihren mörderischen Fähigkeiten neues Unheil an. Botschafterin Femke tötete Graf Dreban noch am gleichen Nachmittag in seinem Haus, wobei sie so viel Verachtung für unsere Untersuchungsmethoden an den Tag legte, dass sie für dieses Verbrechen ein Messer benutzte, das mit dem, mit dem Baron Anton ermordet wurde, identisch war. Das Messer hat man zwar am Tatort nicht gefunden, doch die medizinischen Zeugen beschwören, dass die tödlichen Wunden, die Anton und Dreban zugefügt worden sind, von Waffen mit exakt gleicher Form und Größe verursacht wurden.«
Nachdem Lord Brenden seine Eröffnungsrede gehalten hatte, musste sich Reynik fast in den Arm kneifen, um sich zu vergewissern, dass er nicht nur schlecht träumte.
Dann war Kommandeur Sateris an der Reihe, seine Eröffnung für die Verteidigung vorzutragen. Der Kontrast zwischen den beiden Rednern war unglaublich. War Brendens Stimme melodiös und hypnotisch, so redete Sateris laut, deutlich und ohne Umschweife. Mit seinen kurzen, präzisen Aussagen und der knappen, kalkulierten Antwort auf die dramatischen Beschuldigungen der Anklage war er geradezu ein Sinnbild militärischer Präzision. Er sprach bestimmt, aber leidenschaftslos. Er wies darauf hin, dass das meiste, was das Gericht von der Anklage gehört hatte, reine Mutmaßungen und Schlussfolgerungen auf der Grundlage dürftiger Beweise waren, die einer genaueren Untersuchung nicht standhalten würden. Er versprach, bei denen, die den Märchen der Anklage Glauben schenkten, Fragen aufkommen zu lassen und zu beweisen, dass es eigentlich keinen Zweifel daran geben konnte, dass Botschafterin Femke das unschuldige Opfer von jemandem war, der ihr diese Taten in die Schuhe schieben wollte.
Nachdem die Eröffnungsreden gehalten worden waren, begann die ernsthafte Angelegenheit, die Beweise vorzulegen und Zeugen aufzurufen. Lord Brenden begann für die Anklage, indem er Femke lang und breit über die Umstände der beiden Morde befragte.
»Lady Femke, könnt Ihr dem Gericht sagen, wo Ihr in der Nacht gewesen seid, als Baron Anton ermordet wurde?«
»Ja«, antwortete Femke leise. »Ich war hier im Palast, schlafend in meinem Bett.«
»Hier im Palast, schlafend in Eurem Bett«, wiederholte Brenden wesentlich lauter, damit man es auch noch im letzten Winkel des Saales hörte. »Und wo wart Ihr, als Graf Dreban ermordet wurde?«
»Ich war in seinem Keller eingeschlossen.«
»In Graf Drebans Keller eingeschlossen?«
»Ja.«
»Nun gut. Und wie war das vor zwei Tagen, bei Lord Danars Tod? Wo wart Ihr da?«, fragte Lord Brenden in einem Ton, der besagte, dass er die Antwort bereits kannte.
»Ich war hier im Palast, als Diener verkleidet«, gab Femke zu, was ein paar Leute erstaunt nach Luft schnappen ließ. Nicht viele wussten, dass Femke aus dem königlichen Verlies ausgebrochen war, und noch weniger, dass man sie wiederum hier im Palast aufgegriffen hatte.
»So, Ihr wart also im Palast in der Nacht von Baron Antons Tod, ohne Alibi. Ihr behauptet, zum Zeitpunkt des Todes von Graf Dreban in seinem Keller eingeschlossen gewesen zu sein, wahrscheinlich allein und daher wieder ohne Alibi. Außerdem wart Ihr zufällig zum Zeitpunkt von Lord Danars Tod im Palast. Liege ich sehr falsch, wenn ich annehme, dass Ihr auch dafür kein Alibi habt?«
Femke antwortete nicht laut, sondern schüttelte nur leicht den Kopf.
»Das ist eine äußerst unglückliche Fügung, Lady Femke. Ihr befindet Euch zufällig in der Nähe dreier Mordschauplätze und habt jeweils für die Zeit der Morde kein Alibi. Haltet Ihr das nicht selber für sehr unwahrscheinlich?«
Femke zuckte die Achseln und versuchte, so gleichgültig auszusehen wie möglich.
»Scheinbar nicht. Nun, Lady Femke, ich frage mich, ob Ihr dieses Messer für mich identifizieren könnt?«
Lord Brenden griff in einen Stoffbeutel zu seinen Füßen und zog ein Stück aus ihrem Messersatz hervor. Es waren die Klingen, von denen sie wusste, dass damit zwei der Morde begangen worden waren.
»Ja, Mylord, es gehört mir.«
»Das Gericht nimmt zur Kenntnis, dass Lady Femke die Waffe, mit der Baron Anton ermordet worden ist, als ihre eigene erkennt«, stellte Brenden laut fest. Seine Stimme schnurrte fast, weil er dieses Geständnis erhalten hatte. Es war eine vernichtende Tatsache. »Überrascht es Euch nicht, Lady Femke, dass Graf Dreban mit einer Klinge von identischer Größe ermordet
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