Die Gilde von Shandar: Die Spionin
einmal an einen anderen Platz gesetzt, und Reynik zerbrach sich den Kopf darüber, wie er schnell in seine unmittelbare Nähe gelangen konnte, um zuzuschlagen.
Plötzlich betraten direkt vor Reynik zwei Reihen von Trompetern den Saal. Sie richteten sich mit geradezu militärischer Präzision aus, hoben ihre Instrumente und bliesen eine Fanfare, die das aufgeregte Stimmengewirr kurz noch verstärkte, bevor es ganz verstummte. Alle erhoben sich und erwarteten schweigend den Eintritt des Königs und des Kaisers.
König Malo und Kaiser Surabar betraten den Saal nebeneinander. Wieder bewegten sich die Trompeter mit bewundernswerter Exaktheit, um eine Ehrengarde zu bilden. Die beiden Herrscher gingen gemessenen Schrittes zwischen ihnen hindurch. Immer wenn sie an einem Paar Trompeter vorbeikamen, machten diese eine 90-Grad-Wende und marschierten zur Tür hinaus.
Kaiser Surabar erklomm das Podest und arrangierte sorgfältig seinen schweren Mantel, als er sich auf seinen Thron setzte. Reynik fragte sich, wie Surabar das Kleidungsstück in der grausamen Hitze ertragen konnte, aber er wusste, dass der frühere General gegen keine Regel verstoßen würde.
König Malo erreichte seinen Thron einen Moment später und wandte sich zum Saal um. Er setzte sich, und mit etwas Gepolter, das ein paar Sekunden dauerte, taten das auch alle anderen. Als der Letzte seinen Platz eingenommen hatte, breitete sich im Saal eine atemlose Stille aus. Der König sah sich kurz unter den erwartungsvollen Gesichtern vor ihm um und holte dann tief Luft.
»Meine Herren und Damen vom königlichen Gericht, ich empfinde es als große Ehre, heute Seine Kaiserliche Majestät Surabar, den Kaiser von Shandar, in meinem Gerichtssaal begrüßen zu dürfen. Es ist mir eine Ehre, dass er hier neben mir sitzt. Ich erwarte, dass die Angehörigen meines Hofes sowohl Kaiser Surabar als auch seinen Männern während ihres Aufenthalts in Mantor den gebührenden Respekt erweisen. Der Kaiser war zu der Zeit, als die thrandorianischen Grenzen von den Legionen überfallen wurden, noch nicht an der Macht, und keiner der hier anwesenden Männer hatte mit den Geschehnissen, die diese unglückliche Zeit betreffen, etwas zu tun. Daher sollten wir die Gelegenheit nutzen, die uns dieser Besuch bietet, um den neu eingesetzten Kaiser willkommen zu heißen und daran zu arbeiten, die guten Beziehungen zwischen unseren Völkern wiederherzustellen.«
Der König hielt einen Moment inne, um seinen Worten die gebührende Wirkung zu verleihen. So weit war die Begrüßung vorhersehbar gewesen, aber jetzt kam der schwierige Teil.
»Kaiser Surabar und ich haben während unserer kurzen Unterhaltung heute bereits festgestellt, dass wir viel gemeinsam haben. Wir bedauern beide, dass uns die Gewalt zweier brutaler Morde hier zusammenbringt. Die Entdeckung eines weiteren Mordes vor zwei Tagen, diesmal an dem neuen shandesischen Botschafter Lord Danar, vereint Kaiser Surabar und mich in dem Verlangen, den Mörder zur Strecke zu bringen. Im heutigen Prozess werden die Beweise gegen die ursprüngliche Botschafterin von Shandar, Lady Femke, vorgelegt werden, und wenn die Anhörung vorüber ist, werde ich auf der Grundlage dieser Beweise ein Urteil sprechen.« Plötzlich wurde König Malos Stimme ernster und bestimmter. »Ich will Euch wie bereits Kaiser Surabar eines klarmachen: Die Gerechtigkeit wird heute siegen!«
Aus verschiedenen Bereichen des Gerichtssaals erklangen spontane Jubelrufe und vereinzelter Beifall. Doch zum größten Teil herrschte erschrockenes Erstaunen; man hatte am Hof nicht erwartet, dass König Malo seine Gefühle in Gegenwart des Kaisers so deutlich zum Ausdruck bringen würde. Malo hob die rechte Hand, um Schweigen zu gebieten, und die Leute verstummten wieder.
»Man soll nicht sagen können, dass an meinem Gericht kein fairer Prozess geführt wurde. Wir werden die Beweise sowohl der Anklage, vorgetragen von Lord Brenden, als auch von der Verteidigung, vorgelegt von Kommandeur Sateris, dem Befehlshaber der shandesischen Elitelegion, der den Kaiser zu diesem Zweck hierher begleitet hat, anhören. Bringt die Angeklagte herein.«
Auf den Befehl hin wurden die Flügeltüren des Haupteingangs erneut aufgezogen und vier königliche Gardisten marschierten in den Gerichtssaal. Die niedergeschlagene Gestalt von Femke schlurfte zwischen ihnen her. Man wunderte sich über ihre Erscheinung. Die Botschafterin trug zwar die ihrem Status angemessene Kleidung, doch ihre Haare waren
Weitere Kostenlose Bücher