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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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ihren Weg durch die dichten Menschenmengen in der Nähe der Türen der Kathedrale zu bahnen. Alle hofften, einen Blick auf Prinz Tuvashanoran in seinem Initiationsornat zu erhaschen. Es geschah nicht jeden Tag, dass ein leibhaftiger König zu Gunsten seines ältesten Sohnes als Verteidiger des Glaubens zurücktrat. Auch wenn König Shanoranvilli seinen Thron und alle weltliche Macht im Königreich behalten würde, gab er doch seine Rolle als religiöser Führer seines Volkes ab. Damit wurde Tuvashanoran eine große Ehre zuteil. Tatsächlich war das Ereignis so außergewöhnlich, dass Ranis Gilde beauftragt worden war, eines der Fenster der Kathedrale zum Gedächtnis neu zu verglasen.
    Gerade jetzt legte Ausbilderin Morada letzte Hand an die Arbeit, indem sie überprüfte, ob sich das Glas gut in die Rahmung eingepasst hatte. Das Fenster wäre im Idealfall weit vor dem Initiationstag fertig gestellt worden, aber es hatte unzählige Verzögerungen gegeben. Zunächst hatten sie das seltene kobaltblaue Glas aus den östlichen Provinzen Zarithias nicht bekommen können. Dann, als das Glas schließlich eintraf, hatte das Silbergelb das Blau nicht annehmen wollen und hinterließ anstatt der erwarteten grasgrünen Färbung schmierige Streifen auf der Oberfläche. Selbst nachdem neues Glas gefunden wurde, um das fehlerhafte Material zu ersetzen, war die Arbeit nur langsam vorangeschritten. Muster waren irrtümlich von den gekalkten Tischen entfernt worden, und ein Dutzend Schneideeisen waren aus den Lagerräumen verschwunden.
    Erst gestern Morgen hatte Rani für Morada Farbe in Töpfen angemischt. Die Ausbilderin wollte sie in das endgültige Muster tüpfeln und letzte Hand an das Fenster legen, das bereits in der Kathedralenrahmung ruhte. Morada war das Gerüst herabgeklettert, um ihr Werk im vollen Mittagslicht zu begutachten, nur um daraufhin zu beschließen, dass noch ein wenig mehr Tüpfelarbeit im Gesicht des Verteidigers nötig war, um die grimmigen Züge zu mildern, die den Kern des Glaubens der Pilger symbolisierten. Die Farbe durfte natürlich nicht mehr aufgetragen werden, wenn die Sonne die Westseite der Kathedrale erreicht hatte, denn dann konnte man die Wirkung auf dem Glas unmöglich erkennen. Morada war es zufrieden, in der Dämmerung aufzustehen, und zwang Rani dazu, die Farbtöpfe in den frühen Morgenstunden neu zu mischen, nachdem sie Cooks klebrigen Porridge aufgetragen hatte.
    Nun, als die Herbstsonne die Mauer der Kathedrale wärmte, stand Rani am Fuße des Gerüsts. Sie dachte häufig, dass die Gerüste der Grund dafür waren, warum sie sich ursprünglich danach gesehnt hatte, Glasmalerin zu werden. Sie liebte es zu klettern, liebte das Gefühl, sich über der alltäglichen Welt zu bewegen. Sie schlang sich Moradas Mittagessen über eine Schulter, warf ihren kurzen, schwarzen Umhang zurück und ergriff die schmalen Holzstützen. Ihre Hände waren das Klettern gewohnt, und sie stieg das Gerüst mit einem schnell dahingehauchten Gebet an Roan, den Gott der Leitern, hinauf. Roan wachte schon über Rani, seit sie das erste Mal in ihr Bett auf dem Dachboden im Laden ihres Vaters geklettert war.
    Das Gefühl des unter ihren Fingern hinweggleitenden Holzes war tröstlich und vertraut. Rani hatte das obere Ende des Gerüstes schon fast erreicht, bevor sie merkte, dass das übliche Halteseil auf die obere Gerüstplattform hinaufgezogen worden war. Bevor sie sich über diese Seltsamkeit wundern konnte, wurde sie mit Moradas zorniger Miene konfrontiert. »Ranita! Was tust du hier?« Reine Wut erfüllte ihre Worte, und Rani beugte augenblicklich in der um Verzeihung bittenden Haltung eines Lehrlings den Kopf. Morada ragte über dem Mädchen auf, die graue Strähne in ihrem pechschwarzen Haar stach wie eine grausame Geißel hervor. Die Ausbilderin stemmte die knochigen Hände in die Hüften, und obwohl Rani den Blick abwandte, konnte sie das Netzwerk weißer Glasnarben an den Fingern der Frau erkennen.
    »Es tut mir leid, Ausbilderin Morada. Gildemeisterin Salina hat mich mit Eurem Mittagessen geschickt. Sie sagte, ich solle es Euch vor der Initiation bringen.«
    »Ich brauche kein Mittagessen! Kannst du nicht sehen, dass ich das Fenster fertig stelle? Ich habe keine Zeit, mich von einem dummen Lehrling unterbrechen zu lassen.«
    Rani konnte Morada schon unter normalen Umständen nicht leiden, und nachdem sie sich durch die Menschenmengen gekämpft hatte, war sie besonders rebellisch. Sie musste einmal bis zehn

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