Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch
Calamity Falls – Mr Bastable.
Er sah allerdings alles andere als normal aus. Er trug einen hübschen burgunderroten Pullover unter einem tadellos geschnittenen grauen Blazer. Er hatte offensichtlich geduscht – unlängst! –, denn die weißen Haarbüschel um seinen Kopf funkelten in der Sonne wie frisch gepflückte Baumwolle. Als Rose die Tür öffnete, schlug ihr eine Wolke Aftershave-Duft entgegen.
Rose blieb fast das Herz in der Brust stehen. Es war noch nicht vorüber – mit Mr Bastable stimmte etwas nicht. Er war gepflegt und gekleidet wie ein Professor oder ein Nachrichtensprecher im Fernsehen. Er sah elegant aus.
Er war immer noch umgedreht.
Doch dann sagte Mr Bastable in ganz normalen Worten: »Guten Morgen, Rose«, und sie atmete erleichtert auf. Sein Atem duftete nach Pfefferminz. Was war denn in Mr Bastable gefahren? Na, wenigstens hatte er sie nicht
Esor
genannt.
»Guten Morgen, Mr Bastable«, antwortete sie vorsichtig.
»Bitte verzeih, dass ich so früh komme. Ich brauche zwei
Möhren-Vollkorn-Muffins
.«
Rose starrte ihn verwirrt an. Mr Bastable kam meistens erst um halb neun. Um diese Zeit machte die Bäckerei offiziell auf. Und er hatte noch nie in den zehn Jahren, die Rose ihn kannte, mehr als einen Muffin verlangt. Rose griff unter die Glasabdeckung, nahm zwei
Möhren-Vollkorn-Muffins
heraus, ließ sie in eine weiße Papiertüte fallen und reichte sie Mr Bastable.
»Danke«, sagte er, bezahlte und setzte sich auf die gusseiserne Bank vor dem Schaufenster.
Das war furchtbar merkwürdig und ließ Rose befürchten, dass die
Zurück-zu-vorher-Brombeertorte
nur halb gewirkt hatte: Vielleicht hatte sie veranlasst, dass die Leute wieder normal redeten und sich fortbewegten, hatte aber ihre anderen üblichen Handlungsweisen verdreht. Mr Bastable verließ die Bäckerei sonst immer fluchtartig, als hinge sein Leben davon ab. Und nun saß er da draußen auf der Bank, aufrecht, als hätte er einen Besenstiel verschluckt.
Gegen acht kam Chip in den Laden und half Rose, die Bäckerei für die morgendliche Öffnung vorzubereiten.
»Hab ich gestern Abend irgendetwas Verrücktes verpasst?«, fragte er.
»Nein, nein.«
Nur eine zombiemäßige Discoparty mit der gesamten Stadt,
dachte Rose.
Rose und Chip putzten die Scheiben der Kuchenvitrine und die Mosaikflächen der Café-Tische und ersetzten die letzten, altbackenen Muffins durch frische. Währenddessen saß Mr Bastable einfach draußen auf der Bank. In der Sonne wurde es heißer, und Rose konnte sehen, wie er sich die Stirn mit einer Serviette abtupfte. Irgendwann zog er den Blazer aus. Doch ansonsten rührte er sich nicht und aß auch keinen der beiden Muffins. Er saß da und wartete.
Um halb neun, als Rose das Schild an der Eingangstür auf
Geöffnet
drehte, wartete Mr Bastable immer noch auf der Bank.
»Was macht er?«, fragte Tante Lily, die plötzlich dicht hinter Rose stand. Rose zog die Luft ein und fuhr zusammen.
»Also, wir wissen es auch nicht genau«, antwortete sie.
Lily verschwand in der Küche, um Chip zu helfen, während Tymo zu Rose an den Ladentisch trat. Ein Gruppe von ungefähr zehn Personen hatte sich vor der Tür versammelt.
»Ich glaube, allen geht es wieder gut«, sagte Rose zu Tymo, der ein frisches, gestreiftes Hemd angezogen hatte und dazu eine Khakihose. »Sie gehen normal und reden anscheinend auch normal. Da ist nur der seltsame Fall von Mr Bastable. Er hat sich eine Stunde lang nicht vom Fleck gerührt.«
»Wartet er auf jemanden?«, fragte Tymo.
Rose hatte keine Zeit, zu antworten. Die Wartenden stürzten herein und stellten sich in eine geräuschvolle Warteschlange vor den Ladentisch. Mrs Havegood war die Erste. Sie trug ein grellrotes Kleid und eine Nerzstola.
»Rose, meine Liebe, ich brauche drei Dutzend
Snickerdoodles
, aber diesmal
richtige Snickerdoodles
.«
»Das mit der letzten Lieferung tut mir leid, Mrs Havegood«, sagte Rose. »Ich weiß, dass der Präsident von Kambodscha bestimmt enttäuscht war.«
»Das war er tatsächlich. Wir haben stattdessen Pizza bestellt. Dann stellte sich heraus, dass er an Laktoseintoleranz leidet. Er hat geschworen, mich nie wieder zu besuchen. Bitte sehr, habe ich geantwortet. Ich bin es leid, ausländische Staatsoberhäupter bewirten zu müssen. Sie sprechen jeder so einen komischen Akzent. Man versteht kein Wort. Wie dem auch sei, würde es dir etwas ausmachen, mir ein paar ganz gewöhnliche
Snickerdoodles
zu holen, Tymo?«
Tymo blähte die Nasenflügel auf wie
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