Die Glücksritter von Schreckenstein
nahm der Eigenbau Kurs auf den Schreckensteiner Steg. Plötzlich blinkten oben an der Südwestecke der Burg, wo das Wohnzimmer lag, Lichtzeichen auf. Pummel stieß Eugen mit dem Fuß an und deutete stumm in die Richtung. Während Fräulein Dr. Horn krampfhaft Pinne und Segel festhielt, lasen die beiden mit, was Andi ihnen herunterblinkte: Gratuliere! Ihr habt gewonnen! Keine Million, aber dritter Rang.
Die beiden Ritter sahen einander an. Sagen wir’s? Oder lassen wir sie selber draufkommen? Wortlos entschieden sie sich für die zweite Lösung. Erstens mußte sie nicht unbedingt wissen, wie der Schreckensteiner Nachrichtendienst funktionierte, zweitens warf sie vor Freude womöglich das Boot um, drittens war es interessant, wie sie bei ihrer Angst, die Mädchen könnten dahinterkommen, ihre Mittipper verständigen würde. Den Tippschein hatte sie Pummel am unverfänglichen Ort übergeben — in Wampoldsreute auf der Post. Er hatte die Tippreihen vervollständigt und die Wettsumme beim Schreibwarenhändler einbezahlt — ein ungewollter Vertrauensbeweis. Eugen schaute auffällig auf seine Uhr. „Ja, so langsam müssen wir wieder zurück.“
„O ja!“ antwortete sie und lächelte sogar. „Ich möchte auch die Sportnachrichten nicht versäumen. Ruft mich heute abend mal an, unter meiner Privatnummer. Ich muß noch ein paarmal mit euch segeln, bevor ich mich entscheiden kann, ob ich für Rosenfels ein solches Boot anschaffe. Der See scheint mir weniger gefährlich, als ich anfangs dachte…“
Solche Sätze waren typisch für sie. Der Rex hätte zugegeben, daß Segeln ihm Spaß macht, sie tarnte sich sozusagen dienstlich.
„Keiner kennt seine Kräfte, bevor er sie nicht versucht hat — Goethe!“ zitierte Pummel. Den Satz hatte ihm Mathematiklehrer Schießbude einmal bei einer schwierigen Aufgabe zugeraunt.
„Goethe hat bestimmt nicht das Segeln auf dem Kappellsee gemeint!“ belehrte sie ihn umgehend. „Und es handelt sich auch nicht um meine Kräfte, sondern um die des Windes…“
In diesem Augenblick fuhr ein Windstoß in das Segel, als wolle Goethe den Rittern rechtgeben , die beherzt und mit einigem Kraftaufwand die Lage meisterten.
„Okay, Herr Geheimrat!“ witzelte Pummel.
Die Segelschülerin aber war sauer auf Goethe. „So was!“ sagte sie nur und überließ die weitere Navigation den Rittern.
Vor dem Rosenfelser Hafen alberten Mädchen in Ruderbooten. Die meisten drehten sofort ab, als sie den Eigenbau kommen sahen; der Segelunterricht ihrer Rektorin war ja kein Geheimnis. Nur ein Boot legte sich absichtlich quer.
„Ahoi!“ rief Ingrid herüber, Martina auf der zweiten Ruderbank zeigte ein hämisches Grinsen. „Gratuliere! Ihr habt gewonnen. Keine Million, aber dritter Rang!“ zitierte sie den Blinkspruch wörtlich.
„Was… was sagst du da?“ Ein Vogelblick zwischen Unglauben und Entsetzen traf sie.
„Grad hat’s einer rübergeblinkt von der Burg“, erklärte Martina. „Ich kenn mich damit aus.“
„Dürft ihr denn das überhaupt?“ höhnte Ingrid hinterher.
Nach ihrem Rückzieher konnten die Ritter sie ja nicht verraten. Fräulein Dr. Horn saß starr im Boot. Jetzt kam es auf jedes Wort an.
„Bei euch war’s sinnlos!“ schoß Eugen zurück. „Aber wenn zwei so viel von Fußball verstehen wie wir, war man ja dumm, wenn man nicht…“
Pummel unterbrach, und setzte noch eins drauf. „Ihr könnt ja mal mit uns tippen. Wenn ihr’s bezahlt! Das heißt…“, er sah Fräulein Dr. Horn an, „… falls das bei euch erlaubt ist.“
Nie zuvor war ihm die Leiterin für eine Dreistigkeit dankbarer. Sie atmete auf. Ihre Mädchen wußten nichts. Doch das gute Einvernehmen mit den Rittern war gestört. Warum hatten sie ihr nichts von dem Blinkspruch gesagt?
„Kommt näher!“ befahl sie den Mädchen, ohne eine Antwort zu geben. „Ich will umsteigen. Der Mast ist für unsere Hafeneinfahrt zu hoch.“
Ingrid und Eugen hielten die Boote zusammen, Pummel und Martina reckten hilfreich die Hände. Ohne ein weiteres Wort ließ sich Fräulein Dr. Horn an Land rudern.
„Ahoi!“ sagte Pummel gegen das Schweigen. Eugen neigte den Mast und nahm Kurs auf Schreckenstein, der Eigenbau zog davon. „Ultramist!“ zischte er, ohne das Gatter seiner Zähne zu öffnen. „Da gibst du dir Mühe, daß du ja niemand verrätst, und schon hast du zu wenig gesagt!“
„Sie wird sich beruhigen“, beruhigte ihn Pummel. „Schließlich hat sie mit uns gewonnen.“
„Moment mal! Hast du den
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