Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
Vom Netzwerk:
klingende Windspiele hingen. Sie stellte sich an die Spüle und nahm eine Regenbogenforelle aus, während das Wasser aus dem Hahn auf ihre Unterarme pladderte. Ihre Augenbrauen waren zusammengezogen, als versuchte sie mit einem Haufen verhedderter Gedanken klarzukommen.
    »Was ist mit deinem alten Herrn los?«, fragte ich.
    »Midlife-Crisis«, antwortete sie mit einem aufgesetzten Lächeln, tat mit einem Mal verständnisvoll, so als wüsste sie genau Bescheid über die seelische Befindlichkeit von Menschen, die dreißig Jahre älter waren als sie.
    »Warum schleppt er einen Revolver mit sich rum?«
    »Jemand hat gestern auf unser Haus unten in Deaf Smith geschossen. Wahrscheinlich war es ein betrunkener Jäger. Dad meint, es wäre die Miliz gewesen oder die Leute, die Zyanidin den Blackfoot kippen. Er behandelt mich wie ein Kind«, sagte sie, und ihre Miene wurde mit jedem Wort finsterer.
    »Wie bitte?«, sagte ich, während ich ihrem Gedankengang zu folgen versuchte.
    »Ich bin fast siebzehn. Er kapiert’s nicht.«
    »Welche Miliz?«
    »Die Typen unten im Bitterroot Valley. Ein Haufen Irrer, die es für patriotisch halten, wenn sie ihre Rechnungen nicht bezahlen. Dad schreibt ihretwegen Briefe an die Zeitung. Das ist so was von blöde.«
    »Wer kippt Zyanid ins Wasser?«
    »Frag ihn. Oder seine Freunde, die meinen, sie wären Umweltschützer, bloß weil sie in Bars einkehren, deren Wände aus Holz sind.«
    »Dein alter Herr ist ein feiner Kerl. Warum machst du nicht mal halblang?«
    Sie kratzte mit dem Daumennagel das dunkle, geronnene Blut aus dem Rücken der Forelle, wusch sich dann die Hände unter dem Wasserhahn und trocknete sie am Hosenboden ab.
    »Der einzige Mensch, auf den er je gehört hat, war meine Mutter. Ich bin nicht meine Mutter«, sagte sie. Mit einer Tüte voller Fischinnereien für die Katzen ging sie aus der Hintertür.
    Ich entdeckte Doc hinter einer mit Bäumen bestandenen Biegung des Flusses. Er stand auf einem weißen, mit Kieseln übersäten Uferstreifen, setzte zum Rollwurf an und ließ die Fliege dann sanft wie eine Motte mitten in der gekräuselten Strömung landen. Im Licht funkelte das Wasser an seiner Nylonschnur wie flüssiges Glas, als sie über seinem Kopf durch die Luft schnitt.
    »Was ist mit euch los?«, sagte ich.
    »Mit Maisey? Die wird allmählich erwachsen.«
    »Nein, wegen der Waffe. Wegen diesen Miliztypen oder was auch immer«, sagte ich.
    »Kriege werden nicht in New York oder Paris ausgetragen. Sie werden an Orten ausgetragen, um die sich niemand schert. Willkommen im Krieg«, sagte er.
    »Vielleicht habe ich eine schlechte Zeit für meinen Besuch erwischt«, sagte ich.
    »Nein, hast du nicht. Schau, genau unter dem Überhang dort steht eine Bachforelle. Die ist so breit wie meine Hand. An deiner Stelle würde ich einen Hirschhaarköder vorbeitreiben lassen«, sagte Doc.
    Ich zögerte einen Moment, dann watete ich in den Fluss. Das kalte Wasser drang wie geschmolzenes Eis durch meine Tennisschuhe und die Khakihose. Mit der linken Hand zog ich ein Stück Schnur von der Rolle und spürte, wie sie durch die Laufringe flutschte, als ich mit der rechten zum Wurf ausholte und der blitzende, scharf geschliffene Haken mit der Fliege an meinem Ohr vorbeizischte.

3. KAPITEL
    Weit weg, in der Nähe von Fort Davis, Texas, wurde zur gleichen Zeit, ohne dass einer von uns etwas davon wusste, ein Mann namens Wyatt Dixon aus dem Bezirksgefängnis entlassen. Vor der Fahrt zu den Bahngleisen draußen im Ödland wurden ihm Hand- und Fußschellen sowie eine Kette um die Taille angelegt. Jemand war ihm auf die bloßen Füße getrampelt, sodass er humpelte wie ein alter Mann, als er, von bewaffnetenAufsehern bewacht, aus der Hintertür des Gefängnisses zu dem Kleinbus lief, der auf ihn wartete. Im Bus wurde Wyatt Dixon von einem über zweieinhalb Zentner schweren Deputy in Empfang genommen, der sich keuchend an die Arbeit machte und ihn an einem im Fußboden eingelassenen D-Ring anschloss, ohne ihn eines Blickes zu würdigen oder auf sein fortwährendes Grinsen zu achten.
    Zehn Minuten später, als die Sonne hinter einer niedrigen Kette ausgedörrter Berge unterging, hielt der Bus bei den Bahngleisen, und Wyatt Dixon stieg aus und blieb im heißen Wind stehen, der seine roten Haare wie Seide bauschte, während sich seine Nasenflügel blähten, als er den Duft der Freiheit einsog.
    Er war hohlwangig, trug keinerlei Tätowierungen auf der braun gebrannten Haut, und seine Augen waren so fahl

Weitere Kostenlose Bücher