Die Goblins 02 - Die Rückkehr der Goblins
Gefälle, und sie musste aufpassen, um nicht auszugleiten und zu stürzen. Sie suchte mit einer Hand an der einen und mit dem Ende ihres Stabes an der anderen Wand Halt und kroch vorwärts, bis sie in die Grube sehen konnte.
Das orangefarbene Licht von Schlitz’ Nase reichte kaum bis zur anderen Seite der Grube. Der Wind brauste hinab und ließ mit seinem tiefen Brummen ihre Knochen vibrieren, wo er den Tunneleingang passierte. Schlitz war ein paar Schritte zurückgetreten; seine winzigen Pupillen waren unablässig auf die Leere dahinter geheftet.
Veka beugte sich vor und schaute hoch; sie wollte sehen, wie weit die Grube nach oben reichte. Sie schien sich ebenso weit nach oben wie nach unten zu erstrecken, aber zumindest in die erste Richtung musste ihr doch irgendwann der Berg Einhalt gebieten, denn dessen Höhe war ja auch begrenzt! Das warf die Frage auf, ob die Grube wirklich bodenlos war. Nicht, dass das eine große Rolle gespielt hätte: Wenn der Boden weit genug unten war, war eine normale Grube ebenso effektiv wie eine bodenlose. Eine bodenlose Grube klang einfach nur beeindruckender.
Gute dreißig Fuß über ihr überspannte ein dunkler Schatten die Grube. Das musste die Brücke im Zentrum des Labyrinths des Nekromanten sein. Dieses letzte Tunnelstück hatte tiefer bergab geführt, als ihr bewusst gewesen war. »Halt deine Nase näher heran!« Schlitz machte einen halben Schritt nach vorn, dann blieb er mit verschränkten Armen stehen und weigerte sich, sich vom Fleck zu rühren. Veka kniff die Augen zusammen und versuchte, Einzelheiten der Brücke zu erkennen. Sie konnte quadratische Lücken sehen, wo Blöcke oder Platten oder was auch immer herausgefallen waren, aber die Brücke insgesamt wirkte stabil. Jetzt mussten sie sie nur noch erreichen.
»Die Oger werden bald hier sein«, bemerkte Grell.
»Wenn du mit dem Bestaunen der Sehenswürdigkeiten fertig bist, sollten wir uns vielleicht überlegen, wie wir gegen sie kämpfen können.«
Veka war versucht zu warten. Sobald die andern tot waren oder im Sterben lagen, würde sie durch ihre Körper schreiten und sich mitten im Tunnel hinstellen. Die Oger würden zurückweichen, vorübergehend aus der Fassung gebracht von ihrer Dreistigkeit. Dann, während der Wind an ihrem Gesicht vorbeibrauste und ihren Umhang in dramatischer Manier aufbauschte, würde sie ihren Stab auf den Boden krachen lassen und mit donnernder Stimme sagen:
»Geht heim, ihr blöden Oger!«
Nein … das war nicht dramatisch genug. Den Stab krachen lassen war gut, aber an dem Monolog musste sie noch arbeiten. Sie musste sich mit dem Weg des Helden hinsetzen und Anhang C noch einmal lesen: Heroische Verkündungen und geistreiche Bemerkungen.
Das Ende ihres Stabs rutschte weg, sie fiel nach hinten und strampelte, um nicht hinunterzustürzen. Wenn sie es sich recht überlegte, war Kämpfen vielleicht doch keine so tolle Idee. Nicht wenn ein einziger Fehltritt selbst eine Heldin in die Dunkelheit stürzen lassen konnte.
Sie konnte hören, wie Jig mit den anderen tuschelte und offenbar versuchte, sich irgendeine Art von Schlachtplan einfallen zu lassen. Ohne ihn zu beachten, legte sie ihren Stab zur Seite und zog die Seiten ihres Zauberbuchs aus der Tasche. Die Blätter raschelten im Wind und schlugen ihr gegen die Hände, bemühten sich zu entkommen, doch sie ließ nicht locker, bis sie die Seite mit ihrem Levitationszauber gefunden hatte. Sie klemmte die Seite unter den Arm und stopfte die übrigen zurück in die Tasche.
Um den Spruch lesen zu können, musste sie sich aufsetzen. Schlitz hatte sich umgedreht, um Jigs Plan zu lauschen, war aber immer noch hell genug, dass sie die Worte überfliegen konnte, die nicht weggesengt worden waren. Ein rascher Bindezauber, um die Magie anzuzapfen. Ein zweiter, um den Spruch an ihrem Stab zu befestigen. Sie ignorierte die Randbemerkungen und das hingekritzelte Bild eines übermäßig ausgestatteten Elbenmädchens, während sie das Herzstück des Spruches las.
»Ein weiteres unkompliziertes Stück mitschwingender Magie, dabei sorgt die magische Komponente für die nötige Hebelwirkung.« Was das auch heißen mochte. Sie steckte die Seite zurück in ihre Umhangtasche, ergriff ihren Stab und beendete den Spruch, wobei sie jede einzelne zungenbrecherische Silbe besonders deutlich aussprach.
Schlitz schrie auf, als sein Kopf gegen die Tunneldecke prallte. So schlimm konnte er nicht Schaden genommen haben, denn er schrie in einem fort weiter,
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