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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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ausbezahlt wurde, würde nur noch wenige Tage ausreichen. Er brauchte Arbeit. Bald.
     
     
    Ein seit Tagen anhaltender, kräftiger Südwind hatte den Himmel über dem Inntal geklärt, und schon weit vor Ödstadt, einem weniger als drei Zugstunden von München entfernten, schläfrigen Ort am untern Inn, strahlte die Sonne. Doch hinter den massigen Mauern des alten Ödstädter Zuchthauses herrschte auch an diesem Morgen noch Dämmerung.
    »Sperrens nicht hinter mir ab, Herr Bletz«, hatte der Geistliche auf dem Flur des Ödstädter Gefängnisses gebeten, »und bleibens bitte in der Näh. Wer weiß, wie er es aufnimmt.«
    Der Wärter schloß die Zellentür auf und trat zur Seite, um den Gefängnisgeistlichen eintreten zu lassen. Er ließ die Tür einen Spalt offen und blieb davor stehen.
    Der Gefangene erhob sich langsam und stierte den Priester fragend an. Seine Arme hingen nach vorne, der Kopf schien tief zwischen den Schultern zu sitzen. Sein ausgemergeltes, stoppelbärtiges Gesicht unter dem kurzgeschnittenen, altersgelben Haar war ausdruckslos. Der Pfarrer sprach leise.
    »Mein Sohn«, sagte er salbungsvoll, »du mußt jetzt fest an unseren Herrn Jesus denken.«
    Der Angesprochene schien nicht zu verstehen und wandte sein Gesicht ab.
    »Ich… habe die schmerzliche Pflicht, dich vom Ableben deiner Ehegattin zu unterrichten, mein Sohn.«
    Die Lippen des Mannes bewegten sich kaum. »Vronerl…?«
    »Ja, mein Sohn.«
    Der Gefangene preßte die Augenlider zusammen. »… Habs … gespürt…«, flüsterte er.
    Der Priester nickte ernst, obwohl er die Worte nicht verstanden hatte.
    »Der Herr sei ihrer armen Seele gnädig.«
    Der Gefangene blieb in starr gebückter Haltung stehen. Als der Pfarrer seine Hand ausstreckte, um tröstend die Schulter des Mannes zu berühren, krümmte dieser sich jäh. Klatschend fiel er zu Boden.
    »Herr Aufseher!« rief der Geistliche erschrocken. Bletz war mit wenigen Schritten in der Zelle.
    »Gehts wieder los«, sagte er ärgerlich.
    »Sie sehn doch, daß er ohnmächtig geworden ist. Helfens ihm.«
    Bletz packte den Gefangenen, schleifte ihn zu dessen Pritsche und wuchtete ihn schwer atmend hinauf.
    »Das hat er früher alle daumlang gehabt«, sagte er ungerührt, »wenns mich fragen, markiert der.«
    »Sinds nicht gar so harsch, Herr Bletz. Seine Frau ist gestorben. Harns gar kein Herz? Gehens! Holens den Doktor!«
     
     
    Mit sturem Gleichmut hatte Kajetan seit Tagen versucht, wieder Arbeit zu bekommen. Es gab jedoch keine Arbeit. Die Zahl der Erwerbslosen nahm zu, obwohl es - glaubte man dem Jubel der bürgerlichen Zeitungen - mit der Wirtschaft seit dem Ende der Inflation bergauf zu gehen schien.
    Kajetan fühlte sich hilflos. Seine Wut hatte kein Ziel, sie zerschmolz zur Scham des Verlierers, und jede gutgemeinte, mitfühlende Freundlichkeit, mit der ihm hin und wieder begegnet wurde, verstärkte dieses fremde Gefühl.
    Kajetan schlief schon seit Tagen unruhig. An diesem Abend stand er auf, machte mit verkniffenen Lidern Licht, setzte sich ratlos an den Tisch und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er fühlte nur die Stille, die darauf zu warten schien, welche Idee er als nächste verwerfen würde. Er ging im Raum umher, um sie abzuschütteln, doch als er sich wieder setzte, erhob sie sich erneut und schien höhnisch darauf zu lauern, mit welch vergeblicher Bewegung er ihr Herr zu werden versuchte.
    Endlich überwältigte ihn die Müdigkeit.
    Es mußte weit nach Mitternacht gewesen sein, als er mit einem heftigen Ruck erwachte. Verstört sah er im Dunkeln um sich; sein Puls raste. Er stand auf, zog sich hastig an und verließ seine Kammer. Als er mit eiligen Schritten aus dem Pechdunkel der Sterneckergasse ins Thal trat und die feuchte Nachtluft einatmete, beruhigte er sich ein wenig. Er ging langsamer. Die Turmuhr des Frauendoms schlug zweimal, das Geläute des Alten Peter und der Heiliggeistkirche gaben ein Echo.
    Das breite Thal war menschenleer. Kajetan schlug seinen Kragen hoch und kreuzte seine Arme vor der Brust. Ein kalte Bö fegte gegen sein Gesicht.
    Die Stadt schlief. Kajetan hörte nichts als das Klicken seiner Schritte. Mit einem Mal wurde der Wind heftiger. Ein taubes Donnern in der Ferne folgte, und ein gleichmäßiges Rauschen näherte sich. Erste Tropfen klatschten auf das Pflaster. Aus dem Himmel über dem Süden der Stadt kroch das weiße Geäst eines Blitzes. Als ihm ein nicht enden wollender Donner folgte, hatte der Wolkenbruch schon begonnen. Kajetan fluchte

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