Der Sohn des Wolfs
Diese Erzählungen beruhen auf Jack Londons eigenen Erlebnissen und Erfahrungen in Alaska. Es ist eine rauhe Welt, die der Autor schildert, in der Männer unvorstellbare Entbehrungen auf sich nehmen, um ein paar Beutel Goldstaub zu gewinnen. Eine Welt, in der die Toten vor den Wölfen und Hunden geschützt werden müssen und ein Mann sich lieber eine Frau von den Nordlandindianern holt, statt sechshundert Meilen mit dem Schlitten übers Eis zu reisen, um erst nach Monaten mit einer weißen Frau zurückzukehren. Ungeschliffen in ihren primitiven Vergnügungen, sind diese Menschen jedoch von einer rauhen Ritterlichkeit, die ehrlicher ist als formvollendete Höflichkeit. Die Geschichte ›Das Weib eines Königs‹ spielt in einem späteren Abschnitt in der Entwicklung des Nordlands, als sich die Anfänge eines Gesellschaftslebens zeigten, nachdem mehr und mehr weiße Frauen ins Land gekommen waren. Mit unterkühltem Humor schildert hier der Autor, wie dem »König« Cal Galbraith, der seine indianische Frau vernachlässigt, eine wirkungsvolle Lehre erteilt wird. Mit diesen frühen Erzählungen begründete Jack London seinen Ruhm.
Der Autor
Jack London (eig. John Griffith, später J. G. London nach seinem Stiefvater) wurde am 12.01.1876 in San Francisco geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Er schlägt sich als Fabrikarbeiter, Austernpirat, Landstreicher und Seemann durch, holt das Abitur nach, beginnt zu studieren, geht dann als Goldsucher nach Alaska, lebt monatelang im Elendsviertel von London, gerät als Korrespondent im russisch-japanischen Krieg in Gefangenschaft und bereist später die ganze Welt. Am 22.11.1916 setzt der berühmte Schriftsteller auf seiner Farm in Kalifornien seinem zuletzt von Alkohol, Erfolg und Extravaganz geprägten Leben ein Ende. London hat hervorragende Tiergeschichten verfaßt, Kurzgeschichten, naturalistisch-romantische Abenteuerromane und sozialkritische Romane, denen zumeist eigene Erlebnisse zugrunde liegen.
Inhalt
Das weiße Schweigen
Der Sohn des Wolfs
Die Männer von Forty Mile
In fernem Lande
Auf der Rast
Das Vorrecht des Priesters
Die Weisheit der Reise
Das Weib eines Königs
Eine Odyssee des Nordens
Das weiße Schweigen
»Carmen hält keine zwei Tage mehr aus.« Mason spie einen Klumpen Eis aus und betrachtete besorgt das arme Tier, dann nahm er die Pfote der Hündin in den Mund und begann das Eis loszubeißen, das zwischen ihren Zehen saß und sie grausam quälte.
»Ich hab’ auch noch nie einen Hund mit einem so hochtrabenden Namen gesehen, der etwas taugte«, sagte er, spie das letzte Eisstück aus und schob den Hund fort. »Die schwinden einem direkt unter den Fingern weg. Habt ihr je gesehen, daß ein Hund mit einem ordentlichen Namen wie Cassiar, Siwash oder Husky zu Schaden gekommen wäre? Seht nur Shookum, das ist – «
Haps! Die magere Bestie fuhr hoch und hätte Mason um ein Haar an der Kehle gepackt.
»Was!« Ein gewandter Schlag hinters Ohr mit der Hundepeitsche streckte das Tier in den Schnee, wo es zitternd liegenblieb, während ihm gelblicher Schaum aus dem Fang tropfte.
»Was ich sagen wollte: Seht mal Shookum an – der hat’s in sich. Wetten, daß er Carmen gefressen hat, ehe die Woche um ist!«
»Ich schlage eine andre Wette vor«, entgegnete Malemute Kid und wendete das gefrorene Brot, das zum Auftauen vor das Feuer gestellt war. »Wir werden Shookum fressen, ehe die Reise zu Ende ist. Was meinst du, Ruth?«
Die Indianerin, die dabei war, Eis aufzutauen, um Kaffee zu machen, blickte von Malemute Kid auf ihren Mann und dann auf die Hunde, ließ sich aber zu keiner Antwort herbei. Die Wahrheit dessen, was der Mann gesagt hatte, war so offenkundig, daß jede Antwort überflüssig war. Eine ununterbrochene Reise von zweihundert Meilen vor sich und kaum für sechs Tage Proviant für Menschen und Hunde – es gab keine Wahl.
Die Frau und die beiden Männer setzten sich um das Feuer und machten sich an ihre karge Mahlzeit. Die Hunde lagen angeschirrt da, denn es war nur Mittagsruhe, und beobachteten neidisch jeden Bissen.
»Von heute ab gibt es kein Frühstück mehr«, sagte Malemute Kid. »Und wir müssen ein Auge auf die Hunde haben – sie fangen an, bösartig zu werden. Wenn sich die Gelegenheit bietet, fallen sie ohne weiteres über uns her.«
»Und dabei bin ich Geschworener und Sonntagsschullehrer gewesen.«
Nachdem Mason sein Herz durch diesen etwas merkwürdigen Ausspruch erleichtert
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